Muzicant: "Juden sind in Europa Freiwild"

Muzicant: "Juden sind in Europa Freiwild"
Laut einer Studie nehmen Gewalt und Hass gegen Juden wieder spürbar zu.

Vor zwei Jahren starben zwei Kinder und ein Lehrer in einer jüdischen Schule in Toulouse nach einem Attentat eines aus Nordafrika stammenden Islamisten; im Juli 2012 kamen am Flughafen von Burgos (Bulgarien) bei einem Anschlag auf eine israelische Reisegruppe sieben Menschen ums Leben; und am 24. Mai, einen Tag vor der Wahl zum Europäischen Parlament, wurden vier Personen im Jüdischen Museum in Brüssel bei einem Terroranschlag getötet – ein Anschlag, der laut belgischen Justizbehörden antisemitisch motiviert war.

Eine vor wenigen Monaten veröffentlichte Studie der in Wien ansässigen EU-Agentur für Grundrechte belegt, dass körperliche Attacken, Hassreden gegenüber Juden und Schmierereien auf jüdischen Einrichtungen und Symbolen europaweit wieder zunehmen.

Juden in Europa sind schon seit Längerem alarmiert und besorgt.

"Große Reden nützen nichts", sagt Ariel Muzicant, Vizepräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses. "Nach jedem antisemitischen Vorfall werden die Sicherheitsmaßnahmen für kurze Zeit verstärkt, dann geht man aber wieder zur Tagesordnung über." Und drastisch fügt Muzicant hinzu: "Juden sind in Europa Freiwild."

Im KURIER-Gespräch verlangt er von den EU-Regierungen "dringend mehr Polizisten und Sicherheitspersonal abzustellen, um Juden und jüdische Institutionen zu schützen, oder jüdische Gemeinden finanziell zu unterstützen, um Sicherheitsleistungen bezahlen zu können".

Enttäuschung

Enttäuscht ist Muzicant von den Institutionen der EU.

Regelmäßig sprechen Vertreter jüdischer Organisationen und/oder Gemeinden in Brüssel vor. "Europäische Kommission und Europäisches Parlament wurden wiederholt aufgefordert, entsprechende Richtlinien und Gesetze auszuarbeiten. Und es geschah nichts."

Vergangenes Jahr fand eine OSZE-Konferenz in Berlin statt, die sich mit dem Schutz der jüdischen Gemeinden beschäftigt hat. "Auch danach passierte nichts", beklagt Muzicant.

Er fordert eine "rigorose Gesetzgebung in der Union, die jede Form von Hass und Aufhetzung unter Strafe stellt". Nötig wäre auch ein striktes Vorgehen der Behörden gegen bestimmte Gruppen. "Man kennt die potenziellen Täter, man müsste aber nur konsequent gegen sie vorgehen."

Wenn man nicht mit aller Härte gegen Hetzer, ihre Sympathisanten und Helfershelfer vorgehen wolle, weil man in einer liberalen und demokratischen Gesellschaft lebe, in der Meinungsfreiheit und Gesinnungsfreiheit respektiert werden, so nehme man jüdische Opfer in Kauf, warnt Muzicant und betont nochmals: "Die Juden fühlen sich mittlerweile als Opfer und Freiwild."

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