Auch in Tschechien mischt ein Milliardär die Politik auf

Harte Attacken gegen die etablierten Parteien: Babis wirft der Politk vor, nur zu reden und nichts zu tun
„Ich bin kein Politiker und habe keine Partei.“ Mit diesem Motto ist Andrej Babis zum Joker im tschechischen Wahlkampf geworden. Der KURIER begleitete ihn samt Krapfen und Attacken auf die etablierten Parteien durch Böhmen.

Gelegentlich muss Andrej Babis auch über sich selbst lachen. „Irgendeiner muss das ja machen – und ich hab’ eben keinen anderen gefunden“, meint er mit einem kurzen Seitenblick auf sein Körbchen voller Faschingskrapfen, mit dem er in der Herbstsonne auf der mittelalterlichen Stadtbrücke in Pisek lauert.

Aber dann stellt sich der 59-Jährige schon wieder mit entschlossenem Lächeln einem Pensionisten in den Weg. „Ein Krapfen gefällig, Chef, mit Marille?“ Bereitwillig hört sich der Unternehmer den Ärger der Herren an, dass niemand etwas für die Pensionisten tue, und die Politiker doch nur in ihre eigene Tasche wirtschaften würden.

„Ich weiß, die reden immer nur und haben keine Ahnung, wie man wirklich Probleme löst“, bringt Babis schließlich einen dieser Sätze an, mit denen er in den letzten Wochen durchs ganze Land und durch die TV-Diskussionen gepilgert ist. Der Slowake hat den bis dahin trägen tschechischen Wahlkampf gehörig durcheinandergebracht. Inzwischen hört man auch auf der Straße, wie viele Menschen ihr Land am liebsten dem Unternehmer anvertrauen würden. Ein „Krisenmanager“ sei er, genau der Richtige, „um den Bankrott noch zu verhindern“, „unsere letzte Hoffnung, dass sich etwas ändert“.

Erfolgreich wirtschaften kann der Multi-Millionär. Das hat er schon im Kommunismus bewiesen, als er für den Staat Außenhandel betrieb. Dass er damals für den kommunistischen Geheimdienst tätig gewesen sein soll, bestreitet er vehement . Der Sohn eines Diplomaten, der heute fünf Sprachen spricht, lebte bis in die Neunzigerjahre im Ausland.

Von Brot bis Brathendl

200 Firmen mit 30.000 Mitarbeitern umfasst sein Agrar-Imperium heute, in Tschechien, der Slowakei, aber auch in Deutschland. Vor wenigen Tagen ist auch noch ein Medienunternehmen mit zwei von Tschechiens wichtigsten Zeitungen dazu gekommen. „Ich habe viel Glück gehabt“, gibt sich der Konzernchef auf der Straße bescheiden, „und als Reicher sollte man seinem Land etwas davon zurückgeben.“

Auch in Tschechien mischt ein Milliardär die Politik auf
Dass er diese Chance tatsächlich bekommt, wird täglich realistischer. Unaufhaltsam steigen die Werte in den Umfragen. Knapp zwei Wochen vor den vorgezogenen Parlamentswahlen in Tschechien liegt er mit bis zu 15 Prozent an zweiter Stelle hinter den Sozialdemokraten. Sein wahrscheinlich schlagkräftigstes Argument: Babis, der gebürtige Slowake, will kein Politiker sein – und seine Bewegung „Ano“ (Ja) keine Partei – zumindest vorerst.

Mag die Politik überall in Europa inzwischen ein leidlich schlechtes Image haben, in Tschechien ist sie unten durch. Gründe dafür haben die letzten Mitte-rechts-Koalitionen in den letzten Jahren mehr als genug geliefert.

Eine rigorose Sparpolitik hat den ohnehin bescheidenen tschechischen Sozialstaat abgeräumt. Dazu kam eine Reihe von filmreifen Korruptionsskandalen. Ein Landeshauptmann, der Bargeld unbekannter Herkunft in Schuhschachteln lagerte. Waffengeschäfte mit deftigen Provisionen, Bauvorhaben, die zwar immer teurer, aber niemals fertig wurden. Den finalen Höhepunkt lieferte schließlich Regierungschef Necas, der eine Affäre mit seiner Büroleiterin hatte. Diese nützte dieses Nahverhältnis, um die Ehefrau des Premiers vom Geheimdienst abhören zu lassen.

Was Babis konkret gegen all diese Missstände tun will, mag er nicht so genau sagen. „Transparenz“ sei das Wichtigste, öffentliche Aufträge müssten durchleuchtet werden. Der Staat, den müsse man mit der gleichen Verantwortung führen wie ein Familienunternehmen – sein Familienunternehmen.

Dass man ihn jetzt mit all den anderen Konzernchefs vergleicht, die sich in Europa in der Politik herumtreiben, nimmt Babis gelassen. Er habe andere Pläne als Frank Stronach, obwohl er dem Austro-Kanadier durchaus Respekt entgegenbringt. Dass Stronach kein besonderer Redner sei, kann er gut verstehen: „Ich bin auch kein guter Redner, aber reden tun eh die Politiker Tag für Tag, bla bla bla...“

Für Silvio Berlusconi dagegen hat er hauptsächlich böse Scherze übrig. Während er, Babis, gegen eine Mafia kämpfe, habe der Italiener doch genau mit der zusammengearbeitet: „Außerdem mag ich keine jungen Mädchen, ich bin glücklich verheiratet.“

Seinen Erfolg präsentiert Andrej Babis gerne. Die Krapfen, die er verteilt, stammen aus der eigenen Firma, und dazu gibt es bemerkenswert simple Prinzipien: „Ich habe im Leben nichts gelernt, außer, dass eins und eins zwei ist – das sollte in der Politik auch gelten.“

Dass all die etablierten Politiker, die er so offen ablehnt, auch nicht mit ihm arbeiten möchten, kümmert Babis – zumindest vor der Presse – wenig. Seine Bewegung wäre in der Opposition besser aufgehoben: „Wir werden arbeiten und unter die Leute gehen, und dann haben wir in vier Jahren 40 Prozent.“

Harte Attacken, simple Grundsätze. Milliardär Andrej Babis im KURIER-Gespräch über ...

... Politiker Die Leute, die ihm Parlament sitzen, die sind nicht fähig, etwas im Leben wirklich anzugehen, die reden nur. Das versteht jedes Kind, dass das alles nur Blabla ist.

... seine Art von Politik Der Unterschied zwischen mir und einem Politiker ist, dass ich täglich arbeite. Ein Staat sollte man wie ein Familienunternehmen führen, mit viel persönlicher Verantwortung. Ich bin mir dieser großen Verantwortung bewusst. Politiker sollten etwas erreicht haben, bevor sie in die Politik gehen, damit die Motivation nicht der persönliche Profit ist.

... seine persönlichen Motive Jedes Lebensalter bringt eine andere Motivation. Wenn man alles im Leben erreicht hat, dann hat man das Gefühl, anderen Leuten helfen zu müssen. Ich hatte Glück in diesem Land und als reicher Mann sollte man etwas davon zurückgeben.

... seine Rolle im Wahlkampf Ich habe mein ganzes Image als Unternehmer in dieser Kampagne eingesetzt. Ich beschäftige in Deutschland 6000 Leute und habe auch bei den deutschen Banken einen erstklassigen Ruf. Die Leute glauben mir, weil ich die größte Firma des Landes aufgebaut habe, ohne etwas zu stehlen und ohne Privatisierung. Es geht ja nicht um Parteien, sondern um Persönlichkeiten. Auch in Deutschland haben die Leute vor allem Merkel gewählt und nicht die Union. Es geht also auch hier um mich als Person.

... Reform der Demokratie Wir brauchen ein Mehrheitswahlrecht. Die Koalitionsparteien in Tschechien haben sich nur gegenseitig erpresst. Bei einem Mehrheitswahlrecht kan sich der Staat schneller bewegen und ist nicht so bürokratisch.

... die Politiker-Milliardäre Frank Stronach und Silvio Berlusconi Ich verstehe Frank Stronach gut, auch er hat eine Bewegung gegründet und keine Partei. Dass er nicht reden kann, – gut, ich kann auch nicht reden. Das machen eh die Politiker. Ich kämpfe gegen eine Mafia. Und Silvio Berlusconi – habe ich gehört – hat mit der Mafia zusammengearbeitet. Da verbindet uns nicht viel.

... die Europäische Union Ich bin EU-Befürworter, auch wenn die Europäische Union sehr bürokratisch ist, aber es gibt einfach keine andere Möglichkeit.

... mögliche Koalitionen Ich will nicht mit den Linksparteien koalieren, die nur die Steuern erhöhen wollen. Die Rechtsparteien sind alle korrupt. Ich gehe lieber in Opposition. Wir werden arbeiten, unter die Leute gehen und in vier Jahren gewinnen wir. Dann haben wir vierzig Prozent.

... Vorwürfe, er habe in der früheren Tschechoslowakei für den kommunistischen Geheimdienst gearbeitet Ich war kein Held wie Vaclav Havel. Ich war Kommunist, wie 1,7 Millionen andere Bürger in der Tschechoslowakei auch, aber mit dem Geheimdienst habe ich nie zusammengearbeitet.

Jeden Tag ein Auftritt, jeden Tag ein böser Seitenhieb auf den politischen Gegner. Tschechiens Präsident Milos Zeman steht zwar am kommenden Wochenende ganz sicher nicht zur Wahl. Das aber hindert ihn keineswegs, in den Wahlkampf einzugreifen.

Seine Freunde und Günstlinge, allesamt abtrünnige Sozialdemokraten so wie er, kandidieren ja eigentlich als SPOZ bei diesen Parlamentswahlen. Die aber sind inzwischen salopp in „Die Zeman’schen“ umbenannt und werden vom Präsidenten unverblümt beworben. Dazu hält sich Zeman in seinen Kommentaren über die politischen Mitbewerber nicht zurück, nennt etwa Karel Schwarzenberg eine politische Marionette und erzählt rechte derbe Witze über Schwarzenbergs Parteikollegen, Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek, dem man eigentlich besser einen Tritt in den Hintern geben solle.

Linksruck programmiert

Ob es trotz solcher deftiger Hilfe bei den Zeman’schen für den Einzug ins Parlament reicht, ist ungewiss. Denn der programmierte Wahlsieger am 26. Oktober sind die Sozialdemokraten der CSSD. Sie profitieren vom lange erwarteten politischen Linksruck. Allerdings auch die seit der Wende kaum reformierte Kommunistische Partei. Sie rangiert je nach Umfrage auf dem zweiten oder dritten Platz. Die Genossen werden als potenzieller stiller Koalitionspartner der CSSD gehandelt.

Die bisher stärkste Regierungspartei, die Bürgerliche ODS, konnte sich nach unzähligen Korruptionsskandalen nicht erneuern. Der einst staatstragenden Regierungspartei droht sogar das Aus im Parlament. Die Parteiführung ist nicht nur bei der Bevölkerung als korrupt und unfähig in Verruf geraten, sondern obendrein zerstritten. Außerdem schadet es der ODS, unpopuläre Sparmaßnahmen durchgeführt zu haben.

Die mitregierende konservative Partei TOP 09 von Karel Schwarzenberg wird, so die Politologen, einen Teil der Wählerschaft an den Unternehmer Andrej Babis und seine ANO-Bewegung verlieren.

Schwarzenberg als James Bond

Wie schon bei den letzten Parlaments- und den Präsidentschaftswahlen ist die Kampagne der Top 09 ganz auf Schwarzenberg zugeschnitten. Sie zeigt ihn etwa als James Bond oder präsentiert einfach eine Pfeife, die als sein Markenzeichen gilt. In der traditionell bürgerlichen Hauptstadt Prag führt Schwarzenberg auch bei dieser Wahl die Umfragen an.Trotzdem wirft der populäre Vorsitzende im Wahlkampf bereits jetzt die Flinte ins Korn. In Zeitungsinterviews rechnet er offen mit einem Sitz auf der Oppositionsbank.

Und das, obwohl die TOP 09 eine logische Chance hätte, zum Partner für eine große Koalition zu werden (dies hätte auch noch den Nebeneffekt, dass die KP aus dem Spiel wäre). Doch Schwarzenbergs Rivale bei der Präsidentenwahl, Präsident Milos Zeman, hatte solchen Spekulationen schon zu Beginn des Wahlkampfes eine Absage erteilt. Er werde einer Koalition aus Parteien, die nicht der gleichen politischen Richtung angehören, nicht zustimmen.

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