Allianz gegen Terrormiliz IS nimmt Formen an

Zehn arabische Staaten, Länder aus Europa sowie Kanada und Australien wollen dem internationalen Bündnis beitreten - Russland kritisiert US-Luftangriffe.

Die internationale Allianz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nimmt konkrete Formen an. Mittlerweile wollen sich zehn arabische Länder an dem von Washington geschmiedeten Bündnis mit Europa beteiligen. Auch Australien sowie Kanada und weitere NATO-Mitglieder wollen die Allianz unterstützen. Trotz der angekündigten US-Militärschläge in Syrien und der geplanten Verstärkung gemäßigter Rebellen gilt der Schulterschluss mit Partnern in der Region als entscheidend, um die Miliz schrittweise zurückzudrängen.

In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten die zehn arabischen Länder nach einer Anti-Terror-Konferenz in der saudischen Hafenstadt Jeddah, sie seien übereingekommen, ihren Teil zum Kampf gegen die Extremisten beizutragen und die Militäraktion zu unterstützen. Mit seiner Reise in die Region versucht US-Außenminister John Kerry, mehr Staaten für die Ziele der USA zu gewinnen.

Zu den Ländern gehören neben Saudi-Arabien und dem Irak auch Bahrain, Ägypten, Jordanien, Kuwait, der Libanon, der Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie sagten unter anderem zu, die Finanzströme der Extremisten und den Zulauf von ausländischen Kämpfern zu stoppen. Immerhin wurden die IS-Kämpfer zumindest in der Anfangszeit noch von Saudi-Arabien und Katar finanziert.

Unterstützung aus Europa

In Washington wächst unterdessen die Hoffnung, aus Europa auch Unterstützung bei den Luftangriffen zu bekommen. Großbritannien schließt eine solche Beteiligung in Syrien nicht aus. Auch Frankreich ist nach den Worten von Außenminister Laurent Fabius bereit, sich, "sofern notwendig", an Lufteinsätzen im Irak zu beteiligen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier schloss eine Beteiligung an Luftschlägen gegen die Terrormiliz dagegen aus.

Auch China will bei der Terrorismusbekämpfung stärker mit der Weltgemeinschaft kooperieren. Dabei müsse jedoch das Völkerrecht ebenso geachtet werden wie die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der betroffenen Länder, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums. Russland und Syrien kritisierten die angekündigten Luftangriffe in Syrien scharf. Das wäre ohne Genehmigung durch den Weltsicherheitsrat ein "Akt der Aggression", sagte Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch.

Bis zu 31.500 Kämpfer

Unterdessen wurde bekannt, dass die Terrormiliz bereits zwischen 20.000 und 31.500 Kämpfer im Irak und in Syrien in ihren Reihen hat. Die neue Einschätzung basiere auf CIA-Geheimdienstberichten aus der Zeit von Mai bis August, erklärte ein Sprecher der amerikanischen Geheimdienstorganisation.

Bisher war die CIA von mindestens 10.000 Kämpfern der Extremistengruppe Islamischer Staat (IS) ausgegangen, also deutlich weniger. Die Zahl ist dem Geheimdienstsprecher zufolge durch eine verstärkte Rekrutierung seit Juni gestiegen. Gründe für den stärkeren Zulauf seien unter anderem "Erfolge auf dem Schlachtfeld und die Ausrufung eines Kalifates". Zudem habe die Miliz zusätzliche Informationsquellen erschlossen.

Kurz begrüßt USA-Aktion

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat die angekündigte Luftoffensive gegen die Dschihadisten begrüßt. In einem Freitag früh ausgestrahlten Interview mit dem Deutschlandradio sagte Kurz: "Die Luftschläge und auch Waffenlieferungen sind wichtig, um die Terroristen zurückzudrängen."

Österreich sei zwar neutral und daher auch "friedliebend", aber deshalb nicht "naiv". Zu Kritik an die sofortige Entscheidung der USA, sagte Kurz: "Ich habe amerikanisches Verhalten auch schon anders gesehen. In diesem Fall war es aber richtig, dass die Amerikaner agiert haben."

Foley: Kritik an US-Regierung

In einem Interview mit CNN kritisierte Diane Foley, Mutter des getöteten Journalisten James Foley, die Regierung in Washington. "Ich denke, unsere Bemühungen, Jim freizubekommen, waren lästig" für die Regierung.

"Es schien nicht von strategischem Interesse gewesen zu sein", sagte sie. Diane Foley zufolge wurde die Familie vor juristischen Maßnahmen gewarnt, sollte sie versuchen, Lösegeld aufzutreiben. Zudem sei der Familie mitgeteilt worden, dass keine Gefangenen im Austausch für Foley freigelassen würden und die US-Regierung auch keine militärischen Mittel einsetzen werde. Auch sei ihr gesagt worden, sich nicht an die Medien zu wenden, sondern darauf zu "vertrauen, dass die Sache geregelt werde". Ihr Sohn habe bis zuletzt darauf vertraut, dass sein Land ihm zu Hilfe komme, sagte Foley.

Eigentlich wollte Barack Obama als ein US-Präsident in die Geschichte eingehen, der zwei vererbte Kriege fern der Heimat (Irak und Afghanistan) zu einem Ende gebracht hat. Doch jetzt, nach dem dramatischen Vormarsch der radikal-islamischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) musste er einen neuen Militäreinsatz ankündigen. In seiner Rede zur Nation sagte er in der Nacht zum Donnerstag, dass IS-Kämpfer nicht mehr nur im Zweistromland, sondern auch in Syrien mit Bombardements zu rechnen hätten. Experten gehen davon aus, dass diese Kampagne, an der sich auch europäische und arabische Partner beteiligen sollen, mindestens drei Jahre lang dauern wird – somit wird auch Obama seinem/seiner Nachfolger/in einen bewaffneten Konflikt vererben.

Allianz gegen Terrormiliz IS nimmt Formen an
epa04394910 US President Barack Obama delivers a prime time address from the Cross Hall of the White House, in Washington, DC, USA, 10 September 2014. Vowing to target the Islamic State with air strikes 'wherever they exist' Obama pledges to lead a broad coalition to fight IS and work with 'partner forces' on the ground in Syria and Iraq. EPA/SAUL LOEB / POOL
Wobei der Commander in Chief (Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte) mit seinen Plänen dünnes Eis betritt: Denn diese sind am obersten Ende dessen, was gerade noch als Anti-Terror-Operation eingestuft werden kann – zwar keine Bodentruppen, aber massive Luftschläge, und auch der Einsatz von Spezialkräften wie Navy Seals oder Delta Force könnte zur Markierung der Angriffsziele erforderlich werden. Umgekehrt ist die Ausbildung von moderaten syrischen Oppositionsgruppen (eventuell in Saudi-Arabien) am untersten Rand dessen, was notwendig ist, um die IS-Extremisten effizient bekämpfen zu können.

Ob die Strategie Obamas aufgeht, ein "Krebsgeschwür wie den IS zu besiegen", wie es der Chef im Weißen Haus formulierte, wird sich erst weisen. Denn es gibt viele Fragezeichen.

Allianz gegen Terrormiliz IS nimmt Formen an
Erstens: Mit welchen gemäßigten Aufständischen wollen die USA in Syrien kooperieren? Die "Freie Syrische Armee" (FSA) hat in den vergangenen drei Jahren massiv an Terrain verloren, vor allem an islamistische Gruppen, auch an die Al-Nusra-Front (siehe links). Viele FSA-Kämpfer sind tot, andere geflohen, wieder andere haben sich ins Zivilleben zurückgezogen oder sich den Dschihadisten angeschlossen.

Zweitens: Welches Verhältnis strebt Washington zum Damaszener Regime unter Bashar al-Assad an? Das Mantra in den USA lautet ja, der Diktator müsse weg, mit ihm könne es keine Deals geben. Nur – werden die Islamisten militärisch geschwächt, hilft das automatisch dem Machthaber. Außerdem braucht Obama für den Einsatz seiner Luftwaffe in Syrien die stillschweigende oder explizite Zustimmung Assads, dessen Flugabwehr voll funktionsfähig ist.

Drittens: Selbst die kampferprobten kurdischen Peschmergas im Nordirak tun sich äußerst schwer, die IS-Miliz zu biegen. Von der FSA in Syrien, wo der IS ein Drittel des gesamten Landes kontrolliert, ist das noch weniger zu erwarten. Zumal die selbst ernannten "Gotteskrieger" in beiden Staaten hoch moderne Waffen erbeutet haben und ihre Kriegskassa voll ist, gespeist aus den Erdöl-Feldern, die sie erobert haben. Auch diese Finanzierungsader will der US-Präsident nun kappen.

Obama, der die Gefahr des "Islamischen Staates" noch vor einigen Monaten herunterspielte, will die angekündigte Offensive einbetten in eine "Kernkoalition". Zu dieser gehören dem Vernehmen nach Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Dänemark und Australien sowie die muslimischen Staaten Türkei, Jordanien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Mitunter wird diese Allianz auch "Koalition der Willigen" genannt – mit dieser zog Obamas Vorgänger, George W. Bush, 2003 in den Krieg gegen Iraks Diktator Saddam Hussein.

Die deutsche Regierung hat der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) alle Aktivitäten in Deutschland verboten. "Wir müssen verhindern, dass radikalisierte Islamisten ihren Jihad in unsere Städte tragen", sagte Innenminister Thomas de Maiziere am Freitag in Berlin.

Das Verbot betreffe jede Beteiligung am IS, auch Propaganda in sozialen Medien im Internet oder bei Demonstrationen und das Anwerben von Kämpfern. Auch das Tragen von Kennzeichen oder das Spendensammeln ist nun verboten.

Verstoß ist eine Straftat

De Maiziere sprach von einem wichtigen Schritt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und für die Sicherheit in Deutschland. Jeder Verstoß gegen das Verbot sei eine Straftat. IS-Symbole im Internet sollten gelöscht werden. Dazu sei man in Kontakt mit den Netzbetreibern. Über mögliche Razzien gegen IS-Anhänger oder andere Polizeimaßnahmen könne er nichts sagen.

Das Bedrohungsszenario in Deutschland habe sich durch die Rückkehr radikalisierter Kämpfer aus Syrien und dem Irak verändert, sagte der Minister. "Wir wissen nicht, was sie tun. Es könnte aber sein, dass sie hier Anschläge verüben."

In Belgien habe es einen solchen Anschlag bereits gegeben. Es könne auch sein, dass sich durch das Verbot die Sicherheitslage in Deutschland verändere. "Aber das kann nicht das Kriterium für die Frage sein, ob man ein solches Verbot erlässt oder nicht."

Selbstmordattentäter aus Deutschland

Auch in Deutschland sei menschenverachtende IS-Propaganda im Internet abrufbar, sagte de Maiziere. Der IS werbe gezielt, aggressiv und auch in deutscher Sprache um Anhänger. Reisen junger Islamisten in Richtung Syrien und den Irak bereiteten große Sorgen.

Von den 400 aus Deutschland ausgereisten Männern und Frauen habe sich ein großer Teil in den Machtbereich des IS begeben. Es gebe Hinweise, dass mehr als 40 von ihnen ums Leben gekommen seien, einige davon als Selbstmordattentäter im Irak. Über 100 Islamisten seien bisher zurückgekehrt, "viele frustriert, aber andere mit Kampferfahrung. Sie haben gelernt, zu hassen und zu töten", warnte der Minister.

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