Ägyptens neuer Pharao

Ägyptens neuer Pharao
Präsident Mursi stellt sich über die Justiz. Zugleich gibt er sich das letzte Wort in praktisch allen politischen Fragen.

Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi hat seine Macht handstreichartig massiv ausgebaut. Mursi sprach am Donnerstag dem Verfassungsgericht die Kompetenz ab, über die Rechtmäßigkeit des von Islamisten dominierten Verfassungskomitees zu entscheiden. Er will damit verhindern, dass die Justiz den Marsch der Islamisten durch die Institutionen bremst. Zugleich gab er sich selbst das letzte Wort in praktisch allen politischen Fragen.

"Ägyptens neuer Pharao"

Sein politischer Widersacher Mohamed ElBaradei hat mit scharfer Kritik auf die Erklärung Mursis reagiert, wonach dessen "zum Schutz der Revolution getroffene Entscheidungen" rechtlich nicht mehr angefochten werden könnten.

Mursi habe sich über die Kontrolle der Justiz gestellt, schrieb der ägyptische Friedensnobelpreisträger und ehemalige Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA am Donnerstag über Twitter: "Heute hat Mursi die Staatsmacht an sich gerissen und sich selbst zu Ägyptens neuem Pharao ernannt. Dies ist ein schwerer Schlag für die Revolution".

"Alle Verfassungszusätze, Entscheidungen und Gesetze des Präsidenten sind endgültig, gegen sie kann keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden", hieß es in einer am Donnerstag im Fernsehen verlesenen Erklärung. Auch die Verfassungsversammlung könne von keinem Gericht mehr aufgelöst werden. Die Versammlung, die die neue Verfassung ausarbeiten soll, steht in der Kritik der Opposition, da sie von den Muslimbrüdern und den radikalislamischen Salafisten dominiert wird.

Führende Oppositionelle in Ägypten haben nun zu landesweiten Protesten gegen Präsident Mursis eigenmächtigen Ausbau seiner Macht aufgerufen. "Dies ist ein Coup gegen die Rechtmäßigkeit", sagte Sameh Ashur, Chef der Anwaltsgewerkschaft, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Oppositionspolitikern el-Baradei und Amr Mussa in Kairo. "Wir rufen alle Ägypter auf, am Freitag auf allen Plätzen Ägyptens zu demonstrieren", fügte er hinzu. Die Regierungsgegner warfen Mursi die "Hinrichtung der Unabhängigkeit der Justiz" vor.

Generalstaatsanwalt entlassen

In einem zweiten Anlauf entließ der Präsident zudem Generalstaatsanwalt Abdel Meguid Mahmoud. Im Oktober noch hatte der Präsident im Streit mit Mahmoud eingelenkt: Damals versuchte er zunächst, den Generalstaatsanwalt auf den Posten des Botschafters im Vatikan abzuschieben - Mahmoud war zuvor für einen umstrittenen Freispruch mehrerer ranghoher Beamter des früheren Machthabers Hosni Mubarak verantwortlich gemacht worden. Als Mahmoud sich mit der Unterstützung von einflussreichen Richtern weigerte, sein Amt abzugeben, gab der Präsident zunächst nach.

Nun soll Mahmud aber doch gehen, zu seinem Nachfolger wurde nach Angaben von Mursis Sprecher Talat Ibrahim Abdullah ernannt. Gleichzeitig ließ der Präsident neue "Ermittlungen und Gerichtsverfahren" zum gewaltsamen Tod von Demonstranten während der ägyptischen Revolution ankündigen.

Mursi, der seit Juni im Amt ist, galt zunächst als zweite Wahl der islamistischen Muslimbrüder für das Präsidentenamt. Inzwischen jedoch erweist er sich mehr und mehr als gewiefter Taktiker. Im Sommer entmachtete er den Obersten Militärrat unter seinem damaligen Chef Hussein Tantawi. Gleichzeitig stärkte er seine Vollmachten als Präsident. Auch international verschaffte er sich inzwischen Respekt: Unter seiner Vermittlung einigten sich Israel und die radikalislamische Hamas am Mittwoch im blutigen Konflikt um den Gazastreifen auf eine Feuerpause.

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