Schweiz diskutiert Asyl für Snowden

Photos of Edward Snowden, a contractor at the National Security Agency (NSA), and U.S. President Barack Obama are printed on the front pages of local English and Chinese newspapers in Hong Kong in this illustration photo June 11, 2013. Snowden, who leaked details of top-secret U.S. surveillance programs, dropped out of sight in Hong Kong on Monday ahead of a likely push by the U.S. government to have him sent back to the United States to face charges. REUTERS/Bobby Yip (CHINA - Tags: POLITICS MEDIA)
Die Eidgenossen überlegen, wie mit einem Asylgesuch umzugehen wäre - in den USA formiert sich Protest.

Die Schweiz erwägt die Möglichkeit eines politischen Asyls für den Edward Snowden – jenen Mann, der den US-Spionageskandal ins Rollen gebracht hat und sich derzeit im Untergrund aufhält. Wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtet, hat der Grünen-Abgeordneten Balthasar Glättli eine entsprechende Anfrage gestellt – jetzt sei die Regierung am Zug und müsse erklären, ob sie ein Asylgesuch Snowdens positiv beantworten würde. Eine Antwort wird am kommenden Montag erwartet.

Schweiz diskutiert Asyl für Snowden
REFILE - CORRECTING CREDIT U.S. National Security Agency whistleblower Edward Snowden, an analyst with a U.S. defence contractor, is seen in this still image taken from a video during an interview with the Guardian in his hotel room in Hong Kong June 6, 2013. The 29-year-old contractor at the NSA revealed top secret U.S. surveillance programmes to alert the public of what is being done in their name, the Guardian newspaper reported on Sunday. Snowden, a former CIA technical assistant who was working at the super-secret NSA as an employee of defence contractor Booz Allen Hamilton, is ensconced in a hotel in Hong Kong after leaving the United States with secret documents. Footage taken June 6, 2013. REUTERS/Courtesy of The Guardian/Glenn Greenwald/Laura Poitras/Handout (CHINA - Tags: POLITICS MEDIA) ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE WAS PROVIDED BY A THIRD PARTY. FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS PICTURE IS DISTRIBUTED EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS. NO SALES. NO ARCHIVES. THIS PICTURE IS DISTRIBUTED EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS. MANDATORY CREDIT
Der nachHongkong geflohene Informant Snowdenwurde derweil von seinem Arbeitgeber entlassen. Die Beratungsfirma Booz Allen Hamilton kündigte Snowden "wegen der Verletzung des Ethikkodexes und der Richtlinien". Snowden hatte angegeben, er sei als Mitarbeiter der Firma bei der NSA auf Hawaii im Einsatz gewesen. Booz Allen Hamilton zufolge arbeitete Snowden weniger als drei Monate für das Unternehmen.

Die Zeitungen Guardian und Washington Post hatten unter Bezug auf Snowdens Informationen berichtet, der US-Geheimdienst NSA sammele und analysiere massenhaft Nutzer-Daten von Unternehmen wie Google, Yahoo, Microsoft, Apple oder Facebook. Die NSA habe über das Programm "PRISM" Zugriff auf Fotos, Nachrichten und Dateien. Die Unternehmen bestreiten einen direkten Zugang der Behörden auf ihre Server.

Snowden, der sich in Hongkong aufhalten soll, hatte sich selbst als Quelle für die NSA-Informationen enttarnt. Sein genauer Aufenthaltsort war am Dienstag unbekannt. Die US-Behörden arbeiten laut Medienberichten unter Federführung des FBI an einer Anklage.

"Stop Watching Us"

Schweiz diskutiert Asyl für Snowden
Suchabfragen in Firefox bescheren Mozilla ein kräftiges Einnahmenplus.
In den USA formiert sich im Geheimdienst-Skandal ein immer breiterer Widerstand gegen den Datenklau im Namen der Sicherheit. Unter dem Motto "Stop Watching Us" (Hört auf, uns zu beobachten), startete am Dienstag eine Gruppe von 80 Firmen und Bürgerrechtsorganisationen eine Kampagne gegen die Überwachung von Internet- und Telefondaten durch den US-Geheimdienst NSA.

Auch die die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union reichte in New York eine Klage gegen die Sammlung von Telefon-Verbindungsdaten ein. Der Internetkonzern Google unternahm einen Vorstoß für mehr Transparenz: Der Suchmaschinen-Gigant will alle Anfragen der US-Regierung nach Nutzerdaten öffentlich machen, um den Verdacht aus dem Weg zu räumen, den Geheimdiensten uneingeschränkt Zugang zu seinen Systemen gewährt zu haben.

Der Firefox-Entwickler Mozilla startete mit Rückendeckung von Bürgerrechtsaktivisten und anderen Firmen die Kampagne "Stop Watching Us". Mozilla und seine Verbündeten sammeln im Internet Unterschriften für einen offenen Brief an den US-Kongress. "Diese Art der pauschalen Datensammelei kratzt an den amerikanischen Grundwerten von Freiheit und Privatsphäre", heißt es darin. Dadurch würden Eckpfeiler der Verfassung verletzt. "Wir rufen den Kongress auf, sofort zu handeln, um diese Überwachung zu stoppen." Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Wacklige Verhandlungen zur Freihandelszone

Europäische Politiker verschärften ihre Kritik am vorgehen der USA. Das Europaparlament nahm das Thema am Dienstag kurzfristig auf seine Tagesordnung. Dabei wurde auch eine Aussetzung der anlaufenden Freihandelsverhandlungen zwischen der EU und den USA gefordert. SPÖ-Europaabgeordneter Jörg Leichtfried bezeichnete das US-Schnüffelprogramm als "Sauerei".

In Deutschland sagte Innenminister Hans-Peter Friedrich, dass ein Fragenkatalog an die Amerikaner formuliert werde. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ mitteilen, dass sie den Skandal beim Berlin-Besuch von US-Präsident Barack Obama in der kommenden Woche thematisieren werde.

Kongress unterstützt PRISM

In Washington wurden am Dienstag zahlreiche Kongressmitglieder hinter verschlossenen Türen über die geheimen Anti-Terror-Aktionen der NSA informiert. Einzelne Politiker äußerten öffentlich ihre Sorge über ausufernde Eingriffe des Inlandsgeheimdienstes in die Privatsphäre der Bürger, während die meisten die Maßnahmen unterstützten.

Kremlchef Wladimir Putin kritisierte die USA. Die Geheimdienste dürften auch im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht außerhalb der Gesetze stehen, sagte der frühere KGB-Offizier. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Alexej Puschkow, sprach sich dafür aus, Snowden politisches Asyl zu gewähren. Der Kreml äußerte sich zurückhaltend - die Behörden würden den Antrag prüfen, sollte Snowden um Asyl bitten.

Namen von Undercover-Agenten der CIA auf der ganzen Welt, private Daten aller US-Geheimdienstmitarbeiter, Abhörprotokolle von Bürgern Dutzender Staaten: Für einen 29-jährigen Privatangestellten mit bescheidenem Schulabschluss war Edward Snowden mehr als gut informiert. Der Amerikaner, dessen Enthüllungen über die Datensammelwut des US-Geheimdienstes NSA weltweit für Empörung sorgen, hatte fast unbeschränkten Zugang zu dessen Servern. So konnte er nach Belieben Einblick in dessen Arbeit, aber auch die der anderen US-Geheimdienste nehmen. Während Snowden, der ja von Hawaii nach Hongkong geflohen war, in der asiatischen Metropole untergetaucht ist, haben seine Enthüllungen zu Hause eine heftige öffentliche Debatte entfacht. Es geht um die Erfassung, aber auch um den Umgang mit privaten oder sogar geheimen Daten durch die Geheimdienste. Diese erledigen einen Gutteil des durch den Anti-Terrorkrieg angewachsenen Arbeitsaufwands nicht mehr selbst, sondern haben diesen an private Firmen ausgelagert.

Eine der wichtigsten davon ist Snowdens Arbeitgeber, die Technologie- und Managementberatung Booz Allen Hamilton. Die Firma ist seit den Terroranschlägen des 11.September rasant gewachsen, und ihr fast alleiniger Arbeitgeber ist der Staat, darunter vor allem das Verteidigungsministerium, die Armee und die Geheimdienste. Wie private Söldner auf Kriegsschauplätzen wie dem Irak erledigen die Technologie-Firmen heikelste Aufgaben im Sicherheitsbereich, etwa das Verwalten von Verhördaten.

Eng mit Militär verflochten

Seine Pole-Position hat Booz Allen-Hamilton auch durch engste personelle Verflechtungen mit den Behörden. Wie im Fall des Ex-CIA-Angestellten Snowden wirbt man gezielt ehemalige Mitarbeiter dieser Behörden an. Diese nehmen oft nicht nur ihre guten Kontakte zum neuen Arbeitgeber mit, sondern - wie auch Snowden – ihren Zugang zu geheimen Daten. Was aber die Firmen tatsächlich mit diesen Daten anstellen, sei oft schwer zu durchschauen, wie Kritiker des Systems behaupten: „Es ist einfach schwierig zu erfahren, was diese Vertragsfirmen wirklich machen und unter welchen Bedingungen sie diese Arbeiten eigentlich machen dürften.“

Zwar durchlaufen die Mitarbeiter der beauftragten Firmen Sicherheitskontrollen, doch sind die einmal bestanden, stehen ihnen auf Dauer die Türen zu den heikelsten Daten offen. „Die Untersuchung muss sich darauf konzentrieren, zu klären, wie dieser Typ Zugang zu so einer erschreckenden Menge an Informationen hatte“, warnt ein ehemaliges Mitglied der NSA-Führung gegenüber der US-Zeitung Washington Post: „Oft sind die besten Spione, die man in ein System einschleust, genau die EDV-Experten, die irgendwo im Keller sitzen, weitreichenden Zugriff haben und so Spionage-Software ins System einschleusen können.“kurier.at/auslandMehr über das Datensammelprogramm Prism und Whistleblower Edward Snowden finden Sie online.

Der Orwell-Klassiker "1984" über einen entmenschlichten Überwachungsstaat ist durch die Enthüllungen über das geheime US-Spähprogramm wieder zum Kassenschlager geworden: Bei Amazon schoss die Nachfrage nach der englischsprachigen Jubiläumsausgabe am Dienstag um 3116 Prozent gegenüber dem Vortag in die Höhe. Die Bestellungen der gebundenen Ausgabe, zu der neben "1984" auch der zweite berühmte Roman von George Orwell, "Animal Farm", gehört, stiegen binnen 24 Stunden um mehr als 200 Prozent.

"Der Große Bruder sieht dich"

In der Anti-Utopie "1984" lässt ein "Großer Bruder" genannter Staat keine Privatsphäre mehr zu. In Anlehnung an den 1949 erschienenen Roman wurde US-Präsident Barack Obama in den Medien schon als "Orwell-Präsident" bezeichnet. Denn in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst mit dem Spähprogramm PRISM massiv Internetverbindungen anzapft. Die Überwachung mache das Leben der US-Bürger sicherer, sagte Obama. An der Ausspähung gibt es aber auch massive Kritik.

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