Athenreise 1961: Müde retour am Seebergsattel
Athenreise 1961: Müde retour am Seebergsattel

© /Hermann Benedikter

Historie

Reisen anno dazumal: "Motorradfahren war ein Vergnügen"

1961 war eine Fahrt von St. Pölten nach Athen ein Abenteuer. Wie zwei Burschen auf 16 PS die 2800 km meisterten. Was jugoslawische Gastfreundschaft damals bedeutete.

von Maria Brandl

06/15/2016, 10:02 AM

Hermann Benedikter und sein Freund Hans Thurner, beide HTL-Schüler in St. Pölten, packen ihre Urlaubsausrüstung, Kleidung, Zelt, Lebensmittel, Ersatzteile, Werkzeug in eine große Ledertasche, zwei Koffer und einen Rucksack, schnallen alles auf eine Puch 250 SGS und starten in den Süden. "Ich wollte die Akropolis sehen", erzählt Benedikter.

Wenig Regeln, viel Staub

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Wir schreiben den August 1961, wenige Straßen sind asphaltiert, Tempolimits gibt es Überland fast nirgends, nur in der Stadt gilt es, Tempo 40 einzuhalten. Das Verkehrsaufkommen ist überschaubar, die Staubentwicklung dafür umso größer, die Sicherheitsbekleidung der Motorradfahrer nach heutigen Maßstäben nicht vorhanden: "Auf dem Kopf hatte ich, wenn es nicht zu heiß war, eine Kappe aus Kunstseide, dazu Sonnenbrillen, an den Beinen eine alte Hose und für schlechtes Wetter hatte ich einen guten Regenmantel mit." Aber, so Benedikter im Rückblick weiter: "Das Motorradfahren war ein Vergnügen. Damals waren die Autos nicht schneller als die Motorräder, damit gab es kein knappes Auffahren."

Aber zurück zur Tour nach Griechenland. Los geht’s in St. Pölten, die Route führt über Mariazell und Seebergsattel nach Graz, wo Benedikter für seine Puch im Werk noch schnell ein paar Ersatzteile einkauft. Die zwei Burschen halten sich aber nicht lange auf. In Leibnitz geraten sie in eine Regenfront, die schweren Regenmäntel erweisen sich als Segen.

Ihr nächstes Ziel ist Zagreb. Doch nach einiger Zeit sind sie sicher, dass sie sich gründlich verfahren haben und landen schließlich in Rogaška Slatina. Außerhalb des Orts entdecken sie neben einem Bauernhof ein riesiges Kreuz. Benedikter wundert sich, dass es trotz Kommunismus noch dort steht und spricht die vor dem Haus arbeitende Bäuerin im schönsten Hochdeutsch an. Sie antwortet im tiefsten Steirisch und freut sich, als sie entdeckt, dass die vermeintlichen "Hamburger" auf der Puch Österreicher sind.

Sie dürfen im Obstgarten ihr Zelt aufschlagen, werden am Abend mit Erdäpfelschmarren und Milch reichlich verköstigt und am nächsten Tag auch noch zum Mittagessen mit gebratenen Erdäpfeln und saurer Milch überredet. Die Burschen treten so ihre Weiterreise erst am Nachmittag an und es wird bereits finster, als sie in die Nähe ihres nächsten Ziels, Belgrad, kommen.

Es ist Vollmond, er spiegelt sich links und rechts der Fahrbahn in den Wasserlachen, Benedikter kann sich so gut orientieren, obwohl er ohne Licht fährt: "Das Licht hat man damals nur eingeschaltet, wenn jemand entgegengekommen ist."

Bis zu einem regulären Campingplatz schaffen es die Burschen nicht mehr, sie fahren von der Straße ab und suchen sich ein ruhiges Platzerl zwischen Bäumen. Sie schlafen hervorragend, bis sie in der Früh durch laute Kommandorufe aus Lautsprechern aufgeschreckt werden und daraus schließen, wohl in die Nähe eines Militärstützpunktes geraten zu sein und schleunigst abhauen.

An ihrem nächsten Etappenziel, in Niš, finden sie einen wunderschönen Campingplatz am Fluss Morava. Die zwei Burschen haben noch ausreichend Elan, am Abend am Corso auf der Hauptstraße der Stadt teilzunehmen. Dabei erfahren sie, dass die Straße zu ihrem nächsten Ziel, Skopje, nur aus einem aufgeschütteten Damm und Brücken aus losen Holzstämmen besteht. Die beiden beraten, ob das für die ohnehin schwer bepackte Puch nicht zu viel sein könnte und beschließen, dass Hans mit dem Zug nach Skopje fahren sollte.

Gesagt, getan. Hermann fährt alleine mit der Puch nach Skopje, ist zwischendurch so müde, dass er fast ein schmales Brückerl über einen Fluss übersieht und über die Böschung stürzt, kommt schließlich aber wohlbehalten am damals, zwei Jahre vor dem großen Erdbeben, noch alten Bahnhof von Skopje an, um auf seinen Freund Hans zu warten. "Ich sah aus wie ein Müllersbursch, so voll von Staub war ich", lacht Benedikter.

Gastfreundschaft

Aber das ist nicht der Grund, warum sich am Bahnhof immer mehr Menschen um ihn scharren. Benedikter versucht vielmehr zu erfragen, ob der Zug aus Niš schon eingetroffen sei. Doch niemand versteht Deutsch. Auch die Polizei nicht, die bald naht, als sie die Menschenmenge sieht. Schließlich wird ein Rezeptionist aus einem Hotel geholt, der Deutsch spricht und Auskunft geben kann.

Als der Zug eintrifft, erkennt Hermann seinen Freund gar nicht. Der ist kohlrabenschwarz vom Ruß, der durchs offene Fenster im Zug ins Abteil wehte und zeigt tiefe Spure jugoslawischer Gastfreundlichkeit. Obwohl der Weltkrieg mit den entsetzlichen Gräueln am Balkan erst wenige Jahre vorbei ist, haben die jugoslawischen Zugpassagiere den jungen Mann aus Österreich sofort mit Schmalzbrot und viel Raki willkommen geheißen. An weitere Details von Skopje kann sich Benedikter nicht erinnern. Aber nach einer erquickenden Nacht fahren sie Richtung Griechenland weiter.

In Saloniki treffen die zwei Niederösterreicher auf dem Campingplatz zwei Wiener, mit denen sie ein Stück gemeinsam fahren. In Athen sind sie aber wieder alleine. Zum Campieren suchen sie sich einen ruhigen Strand außerhalb der Stadt, wo nur sonntags viel Wirbel ist, wenn die Städter an den Strand fahren. Sie nutzen die Zeit, um Athen und Piräus zu besichtigen. Daneben wird ausgiebig im Meer geschwommen.

Zelten verboten

Am letzten Tag am Meer treffen sie einen deutschkundigen Griechen und fragen ihn, was eigentlich auf der großen Tafel neben ihrem Zelt steht. Die Übersetzung lautet: "Zelten verboten!" Aber das hat auch die Polizisten, die mit ihnen zwischendurch Retsina trinken, nicht gestört.

Auf dem Heimweg sind die beiden couragierter. Sie fahren bis zu 750 km an einem Tag, auch die gefährliche Passage zwischen Skopje und Niš legen sie gemeinsam zurück, was sich mit einem Patschen rächt. Auch der Kotflügel nimmt Schaden. Kurzerhand wird eine Blunzen-Konservendose geleert, ausgewalzt und gefaltet und als Schutzblech montiert. Am Seebergsattel blockiert das Hinterrad, weil ein Steinchen zwischen Bremstrommel und Ankerplatte gerät, aber auch dieses Problem wird von den angehenden Ingenieuren ohne großen Zeitverlust gelöst.

Als sie wieder in St. Pölten eintreffen, haben sie viel zu erzählen. Bilder dagegen gibt es nur wenige – "Ich konnte mir damals nur zwei Filme leisten", so Benedikter und betrachtet verträumt seine Dias.

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