Warum wurde unsere Politik so zerstört?

Wundern wir uns nicht, dass nur noch ganz wenige Menschen es auf sich nehmen, in die Politik zu gehen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Wundern wir uns nicht, dass nur noch ganz wenige Menschen es auf sich nehmen, in die Politik zu gehen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über den politischen Betrieb

Der Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten hatte schon vor dem ATV-Duell seine unwürdigen Augenblicke. Leute, die Witze erzählen oder Kochsendungen gestalten, sollen in diesen schwierigen Zeiten die Gesellschaft zusammenhalten und uns im Ausland anständig vertreten? Und dann der Höhepunkt am Sonntagabend, wo zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen nur noch primitiv geflegelt wurde. Das war eine Schweinerei – um in der Diktion des Abends zu bleiben – und ein Schock für alle, die auf ein Staatsoberhaupt mit Autorität gehofft hatten.

Vielleicht steckte ja ein Plan dahinter. Bei der FPÖ muss man stets an Jörg Haider denken. Sein Aufstieg war auch deshalb erfolgreich, weil er traditionelle Politik und Institutionen des Staates lächerlich machte, vom Parlament bis zum Verfassungsgerichtshof. Zugegeben, nicht wenige handelnde Personen von SPÖ und ÖVP machten es ihm leicht. Aber während Haider anderen Politikern vorwarf, zu viel zu verdienen, lebte er in Verhältnissen, die nicht seinem Gehalt entsprachen. Und während er anderen Korruption vorwarf, beschaffte er Geld von der Hypo Alpe-Adria. So zog er die Politik noch mehr in den Dreck, profitierte aber auch noch davon.

Norbert Hofer legte es auf ATV auch so an: Er provozierte den "Herrn Doktor" Van der Bellen, als ob man sich für einen akademischen Grad genieren müsste, nannte ihn "Schickeria", als ob der 3. Präsident des Nationalrats nicht definitiv Mitglied der Oberschicht wäre, und lächelte umso mehr, je unruhiger Van der Bellen wurde und hilflos in die Falle ging. Das Ergebnis für die Zuseher: Beide Herren sind nicht in der Lage, die ausgleichende Funktion eines Bundespräsidenten auszufüllen. Aber auch: Politik ist ein schmutziges Geschäft. Genau von dieser Emotion profitierte schon Jörg Haider. Damit steht der Sieger des Abends fest.

Wer will denn noch Minister werden?

Der Verlierer ist auch klar: Demokratie und politischer Betrieb. Wenn der neue Kanzler Kern nun Frauen und Männer für ein Ministeramt sucht, wird sich jeder noch genauer überlegen, ob er sich das antut, nämlich Teil einer verbalen Rauferei zu werden, wo Sachargumente kaum noch eine Rolle spielen. Am Ende einer Ministerkarriere steht dann noch der Vorwurf, man hätte sein Amt missbraucht, wenn man wieder einen Job findet – oder Häme, wenn es nicht so schnell klappt. Das alles für das Gehalt eines rheinischen Sparkassendirektors, wie der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück einmal formulierte. Das war ungeschickt, aber wahr.

Sind daran auch die Medien schuld, die ja diese Plattformen, etwa im Fernsehen, bieten? Nein. Frau Griss hat sich geweigert, Witze zu erzählen, was ihr eher Stimmen gebracht hat, Van der Bellen hätte die niveaulose Streiterei mit Hofer beenden können. Kein Journalist kann Politiker zwingen, sich in Boxhandschuhen oder gar privat fotografieren zu lassen. Wer Würde hat, kann sie auch bewahren. Und gegen Erpresser in Gestalt von VerlegerInnen kann man sich wehren.

Wir müssen die Mechanismen verstehen, die unsere parlamentarische Demokratie gefährden: Das unfreiwillige Zusammenspiel zwischen Regierung und FPÖ.

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