Tödliche Vorbildwirkung

Konrad Kramar

Konrad Kramar

Es geht um die Flut von Gewalt, wie sie medial über eine Gesellschaft drüberschwappt.

von Mag. Konrad Kramar

über die Anschläge in Deutschland

München, Reutlingen, Ansbach: Deutschland steht hilf- und fassungslos vor einer Serie von Bluttaten, wie es das Land seit den Tagen des RAF-Terrors wohl nicht mehr erlebt hat. Es wird wohl nicht allzu lange dauern, bis sich die Politik und da vor allem die Rechtspopulisten der hilflosen Wut in der Bevölkerung bedienen, um daraus politisches Kleingeld zu machen. Die Tatsache, dass der Rucksackbomber von Ansbach ein abgelehnter Asylwerber aus Syrien war, wird da wohl noch ebenso breitgetreten werden wie der familiäre Hintergrund des Deutsch-Iraners, der in München zum Massenmörder wurde.

Dass ein Iraner vom islamistischen Terror des IS so weit entfernt ist wie ein Lutheraner von den Kreuzzügen, wird in der aufgeheizten Stimmung einfach beiseite gewischt werden. Jetzt sind Sündenböcke gefragt. Doch es geht hier nicht um eine möglicherweise verfehlte Flüchtlingspolitik, sondern um die Flut von Gewalt, wie sie medial über eine Gesellschaft drüberschwappt, die damit nicht umgehen kann, und die so ihre tödliche Wirkung umso verlässlicher entfaltet. Denn die Bilder, die im Fernsehen, vor allem aber über die sozialen Medien verbreitet werden, sind hochexplosives Material für die Gewaltphantasien vor allem männlicher Jugendlicher, die psychisch labil oder tatsächlich geisteskrank sind. Es suggeriert diesen Menschen, dass andere tatsächlich die Macht haben, ihre zerstörerischen Phantasien Realität werden zu lassen. Die Terrororganisation IS bedient ja mit ihren Videos auch ganz gezielt diese tödlichen Wunschvorstellungen, wie sie in vielen Jugendlichen schlummern. Auch die ohnehin umstrittenen Ego-Shooter liefern genau diese Bilder von tödlicher Allmacht an jugendliche Gehirne. Dass das Erleben, die Vorführung manifester Gewalt, Hemmschwellen niederreißt und eigentlich tabuisierte Handlungen in unseren Köpfen auslösen kann, ist ein reichlich erforschtes Gebiet der Psychologie.

Die Gewalt aber, die über Bilder im Internet, in Computerspielen oder in sozialen Medien, verbreitet wird, ist in ihrer möglicherweise fatalen Wirkung noch viel zu wenig erforscht. Sind Gewaltspiele und Internet-Videos eine Möglichkeit tödliche Phantasien ohne Blutvergießen auszuleben, sind sie also ein Blitzableiter, oder sind sie vielmehr die Initialzündung, die psychisch labile oder kranke Menschen zu Mördern machen können? Eine Debatte, die wir dringend intensiver führen sollten, ohne vorschnelle Urteile. Denn die liefern die Populisten ohnehin verlässlich.

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