Die Absicherungsgesellschaft erstickt den Innovationsgeist

Martina Salomon

Martina Salomon

Wir administrieren uns zu Tode. Das betrifft Ordinationen genauso wie Gasthäuser.

von Dr. Martina Salomon

über unsere Absicherungsgesellschaft

Was passiert, wenn sich in Österreich jemand den Knöchel verstaucht? Eh klar: Man erfindet eine neue Regelung und am besten einen neuen Sicherheitsbeauftragten. Wir sind eine Absicherungsgesellschaft geworden. Um ein Haar hätte man kürzlich sogar die (behördliche) Funktion des "Informationsfreiheitsbeauftragten" geschaffen!

Vergangenen Herbst hat es die Regierung als großen Erfolg gefeiert, dass die Funktion der Sicherheitsvertrauensperson nun künftig mit jener der Präventivfachkraft zusammengelegt wird. Vier von 16 Beauftragten, die ein mittlerer Betrieb braucht, sind nicht mehr nötig, zum Beispiel der "Hebeanlagenwärter". Juhu!

Leider administrieren wir uns trotzdem weiterhin zu Tode. Das betrifft Arztordinationen genauso wie Gasthäuser. Kleines Beispiel gefällig? Wirte müssen dank der Hygienekontrollverordnung "HACCP" dafür sorgen, dass ihre Schnitzel während des Garungsprozesses die Temperaturkontrollerfordernisse für Lebensmittel erfüllen. Ein Wunder, dass der Gast nicht fallweise eine Dokumentation statt einer Speise serviert bekommt. Dank der Allergenverordnung wirken manche Speisekarten ohnehin schon wie das Wortspiel "Scrabble".

Und falls Sie sich schon einmal gefragt haben, warum fast alle kleinen Fleischhauer aufgegeben haben: Es liegt nicht nur an der Billigkonkurrenz der Supermärkte. Viele hatten auch die Schnauze voll davon, irrwitzig gestiegene Auflagen zu erfüllen, Gefahrendatenblätter auszufüllen, Arbeitszeitaufzeichnungen abzugeben.

Sicherheitsplan

Das bringt nicht nur Betriebe unter Druck, sondern verzögert und verteuert alles. Circa zwanzig Prozent der Baukosten gehen schon für überzogene Vorschriften drauf, etwa für den "Sicherheits- und Gesundheitsplan", den ein eigener Baukoordinator erstellen muss. Im jüngsten Wachstumsbericht der EU-Kommission wird Österreich für die Überregulierung kritisiert. Die Korrekturen waren leider nur homöopathisch. Wahrscheinlich würde der Versuch, ein österreichisches Silicon Valley zu schaffen, an fehlenden getrennten Toiletten und zu schlecht beleuchteten Ausgangsschildern scheitern.

Während man aber hinter jedem Kleinunternehmer her ist, der sich bei den Sozialversicherungsabgaben um ein paar Cent verrechnet, bleiben Kontrollbehörden ungeschoren, die tatenlos zuschauten, wie ein paar Milliarden versenkt wurden. Wo bitte waren da die "Beauftragten" und die kleinkarierten Vorschriften?

Reformpessimismus

Innovationsgeist entwickelt sich dort, wo man erwarten kann, dass einem keine allzu großen bürokratischen Prügel zwischen die Beine geworfen werden. Eine Steuerdebatte, die den Unternehmern Angstschweiß auf die Stirn treibt, ist übrigens auch nicht wahnsinnig förderlich. Firmen erwarten jetzt höhere Belastungen und neue behördliche Strafexpeditionen. Na bravo, so ein Kunststück muss einem erst einmal gelingen! Ging es ursprünglich nicht um Entlastung?

Diese Atmosphäre (in der auch Technik-Skepsis sowie Denk- und Forschungsverbote sprießen) hemmt das Wirtschaftswachstum. Österreich ist ins EU-Schlussfeld gerutscht. Wir brauchen weniger Gender-Mainstreaming-Beauftragte und Behörden-Auflagen, dafür mehr Freiheit und Mut.

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