Wenn der Pleitegeier auch über dem Staat kreist

"Golden Rule" und andere Seltsamkeiten in der "Firma Österreich".
Martina Salomon

Martina Salomon

Im schlimmsten Falle importieren wir Analphabeten und exportieren die Qualifiziertesten.

von Dr. Martina Salomon

über den Wirtschaftsstandort

Der österreichische Staat und Zielpunkt weisen einige Parallelen auf: keine Vision, Trends verschlafen, schlechte Standortpolitik, mattes Marketing, seit ewigen Zeiten keine schwarze Zahlen.

Wegen nötiger Investitionen will die schwer defizitäre Stadt Wien nun sogar eine Ausnahme von Verschuldungskriterien und nennt das bizarrerweise " Golden Rule". Ansonsten strotzt das rot-grüne Koalitionsprogramm selbst im Wirtschaftskapitel vor linken Phrasen. Da geht es um eine "bewusste Abgrenzung von der neoliberalen Austeritätspolitik", um "gute Arbeit", Ökologisierung, Inklusion, noch mehr Schanigärten und ein paar kleine Enteignungsfantasien wie "Leerstandsabgabe" und höhere Grundsteuer (wovon Wiener Wohnen natürlich ausgeschlossen bleiben soll). Die bedarfsorientierte Mindestsicherung soll auch für Ein-Personen-Unternehmen kommen. Gut.

Postmaterialismus

Aber muss ein Wirtschaftsstandort nicht auch Starke, Dynamische anziehen sowie, horribile dictu, Menschen mit Geld? Sagen wir zu ihnen auch "welcome"? Eher nicht. Expats (ins Ausland verschickte Firmen-Führungskräfte) oder herausragende Wissenschaftler werden mit verrückt hohen Steuern und anderen Hürden abgehalten. Und in immer mehr Unternehmerfamilien fragt sich die jüngere Generation, ob sie sich eine Weiterführung der Firma noch antun soll. Wir sind eine postmaterialistische Gesellschaft geworden, leben von der Substanz. Wirtschafts- und Technikfeindlichkeit sind hoch. Ohne den Stempel "öko" geht nichts mehr, Konsumverzicht ist Trend: fleischlos, saftlos, kraftlos.

Für internationale Firmen gibt es immer weniger Gründe, in Österreich zu bleiben – etliche ziehen schleichend ab. Detto Menschen mit Gründergeist. Im schlimmsten Falle importieren wir Analphabeten und exportieren die Qualifiziertesten. Jeder zehnte Wiener bezieht Mindestsicherung. Das wird noch steigen: wegen der Jobkrise und auch wegen der Asylsuchenden. Woher das Wachstum kommen soll, das sogar Teile der ÖVP aus dieser Zuwanderung erwarten, bleibt ein wenig schleierhaft. Denn der allergrößte Teil dieser Menschen (vor allem aus Afghanistan) hat keine auch nur einem Pflichtschulabschluss annähernd vergleichbare Ausbildung.

Billigstarbeitskräfte

Wie verträgt sich das eigentlich mit unseren hohen Kollektivvertragsgehältern? Oder hofft die Wirtschaft auf neue Billigstarbeitskräfte? Haben sie denn überhaupt Aussicht auf Arbeit?

Bitterböse könnte man sagen: Die Neuankömmlinge werden sicher die vielen neuen Begegnungszonen beleben, die Rot-Grün für jeden Wiener Bezirk plant. Hoffnung gibt, dass Selbstständigkeit in den meisten Herkunftsländern kein Fremdwort ist. In migrantischen Regionen Österreichs beleben Zuwanderer schon jetzt die leer stehenden Geschäfte.

Im Wiener Koalitionspakt hat man sich einem "sozialen, weltoffenen, lebenswerten Wien" verschrieben. Schön. Wirtschaftlich gesund wäre auch noch gut. Und übrigens: Wenn jetzt der Staat den Firmen Registrierkassen vorschreibt, könnte er langsam auch im eigenen Bereich für Transparenz sorgen. Wie wär’s, mit den Landesbudgets – inklusive Ausgliederungen – zu beginnen, über denen der Pleitegeier kreist? Und wo bleibt eigentlich die Transparenzdatenbank?

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