Schwarz-Weiß-Malerei hilft nicht

Martina Salomon

Martina Salomon

Die Situation ist nicht einfach schwarz oder weiß, und Andersdenkende mundtot zu machen, hilft nicht weiter.

von Dr. Martina Salomon

über Schwarz-Weiß-Denken

Bis zu 100 Tote hat das (von der Schleppermafia oft bewusst herbeigeführte) Kentern zweier Flüchtlingsboote am Freitag vor der libyschen Küste verursacht. Und einen Lkw mit 71 Leichen hat man einfach neben der burgenländischen Autobahn abgestellt. Wer da nicht entsetzt ist, hat kein Herz. Daraus sollte niemand politisches Kleingeld schlagen – auch nicht jene, die das zum Anlass für eine Demo "gegen rechts" Donnerstagabend in der Wiener City nahmen.

Unsere Gesellschaft klafft zunehmend auseinander, und nirgendwo sind die Gegensätze stärker als bei der Asylpolitik: Hie jene, die sich den anderen moralisch überlegen fühlen und von einem hohen Podest aus alle verurteilen, die der großen Zuwanderung skeptisch gegenüberstehen. Dort jene, die gerade das Abendland untergehen sehen und anfällig für allerlei Verschwörungstheorien sind, die in den sozialen Medien kursieren: Hinter den Flüchtlingswellen stehen demnach Mächte, die Europa destabilisieren wollen – wahlweise die USA, Russland oder die Türkei. (Allen dreien käme tatsächlich eine schwächere Europäische Union gerade recht.)

Zu viel des Guten

Österreich war – wie die meisten betroffenen Staaten – von der einsetzenden Flüchtlingswelle überfordert. Das löste eine große, sympathische Welle der Hilfsbereitschaft in der Zivilgesellschaft aus. Die unkoordinierten privaten Fahrten nach Traiskirchen waren des Guten sogar zu viel. Logische Folge: Vermüllung des Lagers. Zahllose Fotos davon kursierten im Netz und wurden flugs zum Argument gegen die Flüchtlinge umgedreht. Das wiederum ruft die üblichen Intellektuellen – von André Heller bis Heide Schmidt – auf den Plan, die sich gegen Populismus und Ressentiments einsetzen. Was wiederum die Zahl der Empörten erhöht, die meinen, dass die Situation schöngeredet wird. Sie fühlen sich schon lange allein gelassen (und wählen tendenziell FPÖ). Die wenigsten sind echte Rassisten. Viele sind über die Veränderungen in ihrem Land einfach besorgt. Tatsächlich ist es nicht zu leugnen, dass die Sozialtöpfe bald überfordert sein werden. Der Arbeitsmarkt kann keine weiteren Zuwanderer mit fehlenden oder mangelhaften Deutschkenntnissen mehr aufnehmen. Und die vielen Billigwohnungen, die jetzt notwendig wären, gibt es nicht. Allein Wien wächst pro Jahr angeblich um fast 30.000 Einwohner. Wie soll das funktionieren?

Westliche Dekadenz?

Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass hier Zehntausende aus Kulturen kommen, in denen Frauen Menschen zweiter Klasse sind, Homosexualität verachtet und die westliche Gesellschaft als dekadent empfunden wird. Dass wir das vielleicht tatsächlich sein könnten, fiel einem angesichts des hysterischen Late-Night-Shoppings unweit der Stelle des gefundenen Schlepper-Lasters auf.

Die Situation ist nicht einfach schwarz oder weiß, und Andersdenkende mundtot zu machen, hilft nicht weiter. Menschlichkeitsappelle sind gut, es braucht aber auch handfeste (europäische) Politik. Vielleicht auch unpopuläre Entscheidungen. So war es rückwirkend gesehen ein Fehler, unser Bundesheer totzusparen, weil es ja angeblich nirgendwo neue Bedrohungen gibt. Aber wer sich selbst immer nur auf der hellen Seite der Geschichte wahrnimmt, verliert eben leicht den klaren Blick auf die Realität.

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