Zentralmatura: Der Wurm ist drin, aber nicht im Computer

Martina Salomon

Martina Salomon

Der Wurm ist drin, aber nicht im Computer.

von Dr. Martina Salomon

über die Zentralmatura

Haben Sie schon einmal eine Rechnung bei Finanz online bezahlt? Oder versucht, eine Bürgerkarte – die gibt’s tatsächlich – freizuschalten? Sie werden es nicht fassen, wie unnötig kompliziert das ist! Wissen Sie auch, wie mühsam es ist, elektronisch einen Seminarplatz an einer Uni zu ergattern? Richten Sie sich (etwa bei der WU Wien) am besten nach der Atomuhr und klicken bei der ersten Möglichkeit rein, sonst haben Sie keine Chance. Natürlich muss jederzeit mit Server-Zusammenbruch gerechnet werden.

Man könnte hier noch endlos Beispiele über digitale Kinderkrankheiten aufzählen. Warum wundert sich eigentlich irgendjemand über die Server-Pannen beim Start der Zentralmatura in den AHS? Ja, das ist unnötig, ärgerlich, dilettantisch, aber im digitalen Alltag leider (fast) ganz normal.

Durchschummeln

Seien wir ehrlich, das wahre Problem bei der Zentralmatura liegt anderswo. Wirklich sorgen müsste man sich nämlich um die Qualität der Inhalte. Es ist zu erwarten, dass die Latte bei der heurigen Premiere besonders niedrig gelegt wird, damit keine unangenehmen Wahrheiten ans Tageslicht kommen: dass nämlich manche Schulen die Bildungsziele gar nicht erreichen.

Dieses schmutzige Geheimnis – riesige Unterschiede zwischen den Standorten, aber auch zwischen Klassen – wird bis dato lieber verschleiert. Es ist der große Vorteil einer echten Zentralmatura, damit aufzuräumen.

In Frankreich ist es selbstverständlich, dass alle Schüler landesweit dieselben Aufgaben lösen müssen. Damit stehen auch ihre Lehrer auf dem Prüfstand – was die Nervosität der österreichischen Kolleginnen und Kollegen erklärt. Das ist ein Vergleichsinstrument, das Lehrer und Schüler eigentlich zu Verbündeten für ein gemeinsames Ziel macht. Überdurchschnittlich viele "Flecks" müssten natürlich zu Konsequenzen im Lehrerteam führen. Oder zu höherem Ressourceneinsatz wegen problematischer Schülerpopulation.

Aber hierzulande wird das Ganze ohnehin nicht so heiß gegessen wie anderswo: Große Teile der Matura werden nicht zentral geprüft, und – was viel schwerer wiegt: Die Lehrenden korrigieren die Arbeiten selbst, eine extreme Inkonsequenz. In anderen Ländern mit Zentralmatura geschieht das natürlich streng objektiv extern.

Subjektive Noten

Damit bleibt jede Menge subjektiver Notenspielraum – was bei Deutsch einfacher ist als bei Mathe. Dabei erzählen Pädagogen in städtischen Gymnasien hinter vorgehaltener Hand seit Langem, dass die Ausdrucksfähigkeit der Maturanten zum Teil erbärmlich und jedenfalls gar nicht „reif“ ist. Sehr oft waren diese Schüler nie für eine Oberstufe geeignet. Aber es ist politisch opportun, sie mitzuschleppen und Höherbildung vorzugaukeln. Das fällt auch an den Unis bereits unangenehm auf. Diese jammern über sinkende Qualifikation der Studienanfänger.

Der Zweck des Bildungssystems – Schülern grundlegende Fähigkeiten beizubringen und lebenslange Neugier zu wecken – funktioniert trotz hohem Personaleinsatz immer schlechter.

Wir haben ein gewaltiges Output-Problem, dort ist der Wurm drin. Und das ist weitaus dramatischer als das Tohuwabohu beim Hochladen der vorwissenschaftlichen Arbeiten für die Zentralmatura.

Kommentare