Wo Schüssel besser schweigen sollte

Ausgerechnet jener Kanzler, in dessen Regierungszeit die Korruption blühte, geht mit der Justiz ins Gericht.
Josef Votzi

Josef Votzi

Wo Schüssel besser schweigen sollte

von Josef Votzi

über Wolfgang Schüssel

Wolfgang Schüssel lässt sich von niemandem nachsagen, dass er um die Sympathie seiner Zuhörer buhle. Der Kanzler a. D. lässt Freund und Feind nach wie vor gerne spüren, dass er schneller denkt als der Durchschnitt. Feigheit vor Freund oder Feind konnte man ihm auch Zeit seines politischen Lebens nicht vorwerfen. Dass er sich im Jahr 2000 als geschlagener Wahlverlierer vom dritten Platz auf den Kanzler-Sessel katapultierte, nötigt in seiner Partei vielen bis heute Bewunderung ab. Weit über seine Partei hinaus Respekt erarbeitet hat sich Schüssel als einer, der als Politiker auch vor dem Boulevard nie in die Knie ging oder sich gar anbiederte. Schon als Wirtschaftsminister hielt er unbeirrt Kurs Richtung Brüssel und mehr Europa. Als Kanzler nahm er trotz heftigem Gegenwind Tabuthemen wie die österreichische Frühpension couragiert ins Visier (auch wenn er dafür die Erfindung der unseligen Hacklerrente in Kauf nahm, um Rot und Blau mit ins Boot zu holen).

Was Schüssel vor Gericht bot, kann freilich nur noch unter dem Stichwort Chuzpe registriert werden. "Ich finde es schade, dass solche Großereignisse wie EURO 2008 im Nachhinein kriminalisiert werden", erklärte ausgerechnet jener Kanzler, dessen "bester Finanzminister aller Zeiten" massiv unter Korruptionsverdacht steht. Schüssel hat sechs Jahre lang entweder fahrlässig übersehen oder schlicht weggesehen, dass in seinem Umfeld gestohlen und in private Taschen gewirtschaftet wurde wie in einer südamerikanischen Bananenrepublik.

Die Justiz-Verfahren, die hinter und vor uns liegen, werden mehr kosten als jenes, das Schüssel am Donnerstag vor Gericht keck infrage stellte. Dieses Geld wird sich in jedem Fall rechnen: Als Investition in eine sauberere Republik als die, die uns Wolfgang Schüssel hinterlassen hat.

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