Wir brauchen Eliten – aber richtige Eliten

Die Gesellschaft zerfällt. Das liegt an der ungleichen Verteilung von Vermögen, aber nicht nur daran.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Die Eigenverantwortung der Bürger wird stärker nachgefragt

von Dr. Helmut Brandstätter

über die kommende Steuerreform

Die kommende Steuerreform ist extrem wichtig. Nicht nur, weil das Bestehen dieser Regierung daran hängt, sondern weil die kommenden Monate auch zeigen werden, ob die Politik zu einer halbwegs ehrlichen Debatte fähig ist. Die SPÖ-Parole "Die Reichen sollen zahlen" ist zu schlicht, der ÖVP-Sager "Leistung soll sich wieder lohnen" kann nicht ernst genommen werden, weil die Konsequenzen ausbleiben. In Wirklichkeit geht es um einen viel komplizierteren Verteilungskampf, nämlich um die Frage, ob junge Leute in unserem saturierten, aber kaum noch finanzierbaren Wohlfahrtsstaat eine Chance haben.

Freilich, es gibt eine kleine Gruppe von Österreichern, die nach einer Erbschaft aller materiellen Sorgen ledig sind. Aber viel mehr, durchaus gut ausgebildete Angestellte und Kleinunternehmer, haben auch bei gutem Einkommen überhaupt keine Chance, zu bescheidenem Wohlstand zu kommen, da ja jeder Zuwachs enorm besteuert wird. Bei Preisen von 5000 Euro und mehr pro Quadratmeter Wohnung ist auch die viel beschworene Bildung von Eigentum fast unmöglich geworden. Und was ist mit denjenigen, die nicht einmal eine gute Ausbildung haben? Die werden leider immer mehr, während wir unser Schulsystem als Großbaustelle und Universitäten im Kampf gegen den Abstieg beobachten.

Eine Gesellschaft muss Chancen bieten

Hier hat die Industriellenvereinigung ihre Verantwortung wahrgenommen. Das Schulprogramm, das in dieser Woche vorgestellt wurde, ist bar jeder Ideologie, nur auf Leistung und Effizienz ausgerichtet. Wenn die großen Unternehmer dieses Landes ihre Funktion als Eliten ebenfalls wahrnehmen, dann müssen sie aber auch den nächsten Schritt denken: Wie bekommen junge, gut ausgebildete Leute auch die Möglichkeit, eigene Betriebe zu gründen? Wo ist das Wagniskapital, wo der Beitrag der Industriellen zu einem wirklich leistungsorientierten Steuersystem? Es ist kein Zufall, dass kapitalistische Gesellschaften deutlich niedrigere Einkommenssteuern haben, weil dadurch Leistungswillige motiviert sind, während sich der Staat Geld von Erbschaften und Vermögen holt. Freilich ist in diesen Staaten das gesamte Aufkommen an Abgaben und Steuern deutlich niedriger als bei uns. Und die Eigenverantwortung der Bürger wird stärker nachgefragt.

Das führt zu einem weiteren Punkt: Wer sich in Lehrwerkstätten umhört, wird laute Klagen hören, dass so mancher junge Mensch bei Pünktlichkeit und anderen Kulturtechniken großen Nachholbedarf hat. Wo die Familie versagt, muss die Gesellschaft einspringen. Aber wer sagt verantwortungslosen Eltern, dass die Zukunft ihrer Kinder ohne Ausbildung traurig ist?

Wohlhabende Österreicher erzählen manchmal im kleinen Kreis von ihrem sozialen Engagement. Kaum einer will öffentlich darüber reden, aus Angst vor Neid. Aber Neid ist eine destruktive Emotion – und Leistungseliten brauchen sich nicht zu schämen, ganz im Gegenteil.

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