Wien wächst – wird es auch gescheiter?

Rot genießt die Macht, Grün ist beleidigt – und die Stadtpolitik stagniert in einem langen Wahlkampf.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Rot genießt die Macht, Grün ist beleidigt – und die Stadtpolitik stagniert in einem langen Wahlkampf

von Dr. Helmut Brandstätter

über Wien

It’s the economy, stupid", das war nur einer von drei Slogans, die James Carville, der legendäre Wahlkampfmanager Bill Clintons, im Jahr 1992 seinen Mitarbeitern einprägte. Aber er war entscheidend. Wirtschaftswachstum und mehr Jobs, das versprach Clinton den Wählern und gewann damit gegen den amtierenden Präsidenten George Bush senior.

Und was passiert in Wien, wo in den kommenden Monaten in leichtem Größenwahn wieder einmal die "Mutter aller Wahlschlachten" ausgerufen werden wird? Da streiten SPÖ und Grüne nach fünf Jahren gemeinsamer Regierung über ein Thema, das sie zu Beginn leicht hätten klären können, nämlich ein gerechteres Wahlrecht. Dass dabei sogenannte "neoliberale Methoden" angewendet werden, es nämlich – höflich formuliert – um den billigen Vorteil von Einzelpersonen geht, macht das Ganze auch noch nachhaltig unsympathisch.

Und was ist mit der Wirtschaft? Da schockieren die neuesten Zahlen der ungewöhnlich stark steigenden Arbeitslosigkeit. Während in ganz Österreich heute um 6,5 Prozent mehr Menschen ohne Job dastehen als vor einem Jahr, beträgt der Zuwachs in Wien genau 23 Prozent. Das sind 125.215 Menschen. Wobei der dramatische Anstieg auch daran liegt, dass deutlich weniger Kundinnen und Kunden des Arbeitsmarktservice in Schulung sind. Das Schönen der Statistik mit nicht immer sinnvollen Kursen ist zu teuer geworden.

Was kann die Politik tun? Endlich die Fakten anerkennen. Wenig überraschend zeigt sich, dass Bildung immer wichtiger wird. Von 100 Wienerinnen und Wienern, die nur einen Pflichtschulabschluss vorzuweisen haben, sind 37 arbeitslos. Schlecht ausgebildete Ausländer werden immer mehr von besser gebildeten Zuwanderern verdrängt. Wer kümmert sich darum? Der Lehrlingsexperte Egon Blum hat gestern im KURIER vorgeschlagen, dass sich die Länder künftig der Lehrlingsausbildung annehmen. Landesregierungen greifen sonst gerne zu, wenn es um zusätzliche Kompetenzen geht, da aber war auch von der rot-grünen Wiener Regierung noch nichts zu hören.

Die Zukunft der Stadt

Und die Kluft zwischen denjenigen, die eine sichere Stelle haben und denen, die auf den freien Markt angewiesen sind, wird immer größer. Wie kann man patzig das System der Frühpensionierungen bei den Wiener Beamten verteidigen, wenn andere es immer schwerer haben, einen Job zu finden? Wer ist für diese Gruppe da?

Politik schafft keine Jobs, aber Rahmenbedingungen. Und während uns die Parteien in Wien mit Kraftmeiereien langweilen werden, wäre es doch viel spannender, einmal zu erfahren, wie sich diese Großstadt entwickeln soll. Das ist von Bedeutung für ganz Österreich. Wien wird im Jahr 2030 zwei Millionen Einwohner haben, in der Region werden drei Millionen leben, aus dem Ausland und aus den anderen Bundesländern strömen Menschen herbei. Da werden ein paar neue Gemeindebauten, Radfahrwege und Fußgängerzonen nicht reichen.

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