Werben ums Herz, nicht den Verstand

In Wien haben die Parteien resigniert. Sie wollen die Wähler nicht mit Ideen gewinnen, sondern mit Emotionen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Die Parteien haben resigniert. Sie wollen die Wähler nicht mit Ideen gewinnen, sondern mit Emotionen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über die Wien-Wahl

Mit Meinungsumfragen vor einer Wahl ist das so eine Sache. Verunsicherte Parteien spielen damit, um ihre Funktionäre zu mobilisieren und unseriöse Verlagskaufleute wollen noch mehr Steuergeld herauspressen, indem sie dauernd von Kopf-an-Kopf-Rennen schreiben. Der KURIER hat mit Wolfgang Bachmayer und seinem Institut OGM einen bewährten Partner, der zuletzt vor der Wahl in Oberösterreich wieder ganz genau gelegen ist. Denn wir haben nur einen Ehrgeiz: Über die aktuelle Stimmung informieren, und zwar so genau wie möglich.

Da sind wir schon beim wichtigsten Stichwort: Stimmung. Kaum ein Bürger wird erklären können, wie die Parteien für günstigere Wohnungen, mehr Jobs und weniger Staus sorgen wollen. Aber jede Wienerin und jeder Wiener weiß, dass der SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl die Flüchtlinge in der Stadt anständig aufnehmen will und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor den Gefahren warnt, die von Zuwanderung ausgehen. Was die anderen Parteien dazu sagen, wird kaum noch wahrgenommen. Der kommende Sonntag bringt keine Wiener Landtagswahl, sondern wird uns die Frage beantworten, ob eine ausländerfeindliche Stimmung im Land mehrheitsfähig ist. Nach der OGM-Umfrage lautet die Antwort Nein, aber die Entscheidung liegt in einer Woche bei den über 1,1 Millionen Wahlberechtigten.

Wie sehr die Flüchtlinge, die ja zum überwiegenden Teil nur durch Österreich durchwandern, die Stimmung beeinflussen, zeigt ein Detail unserer Umfrage: Auf die Frage "Welche Themen sind für die Wahlentscheidung die wichtigsten" sagen 61 Prozent aller Befragten und 90 Prozent der FPÖ-Sympathisanten: Flüchtlinge und Zuwanderung. Aber nur 31 Prozent aller Befragten und 47 Prozent der FPÖ-Nahen nennen Integration der in Wien lebenden Migranten als wahlbeeinflussend, obwohl das für die Zukunft der Stadt entscheidend sein wird. Die Wähler bewegt also mehr der Strom, der durch Österreich zieht, als die wirklich enorme Herausforderung der Integration. Die Bilder der letzten Wochen – und die damit hervorgerufenen Gefühle – bewegen die Menschen mehr als die Realität der Stadt.

Der Verstand verabschiedet sich von der Politik

Aber auch viele Politiker benehmen sich nur mehr wie unbeherrschte Emotionsbündel. Sie sind hin- und hergeworfen durch die Stimmungen in ihren Parteien und die Boulevardmedien, die nur deshalb so weit verbreitet sind, weil die Politiker sie dafür bezahlen, dass sie Emotionen schüren. Diese Emotionen bekommt die Politik aber nicht mehr in den Griff. Ein irrer Kreislauf, der von den oft un-sozialen Medien auch noch verstärkt wird. Für das klare Argument, die logische Auseinandersetzung, den Diskurs und den Vergleich von Fakten, also alles, was Politik ausmachen sollte, bleibt dann keine Zeit mehr. Und es profitieren diejenigen, die Herz und Gefühle geschickter ansprechen, also meist die Angstmacher. Das ist leider die einzige Logik, die noch gilt.

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