Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?

Kein EU-Staat will in Wahrheit die Zigtausenden Flüchtlinge aus Afrika oder sonstwo aufnehmen.
Ulrike Botzenhart

Ulrike Botzenhart

Kein EU-Staat will in Wahrheit die Zigtausenden Flüchtlinge aufnehmen.

von Ulrike Botzenhart

über Asylpolitik

Wenn unter 500 Millionen EU-Bürgern 500.000 Flüchtlinge aufzunehmen sind, dürfte das im reichsten Teil der Welt eigentlich kein Problem sein", sagte am Wochenende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und er betonte: "Es ist nicht fair, dass 50 Prozent der Flüchtlinge nur von vier Ländern aufgenommen werden."

Ja, stimmt. Es ist nicht fair. Aber was ist schon fair in dieser Welt, werden Realisten kontern.

Das Hauen und Stechen rund um verpflichtende EU-Quoten für die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten ist in vollem Gange. Diesen Mittwoch beraten die Innenminister darüber, am EU-Gipfel Ende Juni soll ein "faires" Verteilungssystem beschlossen werden. So weit das Ziel. Die entschlossenen Blockademeldungen aus zahlreichen EU-Ländern lassen ebenso wenig auf eine Lösung hoffen, wie die "Angebote" einzelner Staaten: Estland soll in den nächsten zwei Jahren nach den Plänen der EU-Kommission 1064 Flüchtlinge aufnehmen. Doch die Regierung in Tallinn ließ wissen, sie könne nur 84 bis maximal 154 aufnehmen. Lettland, das 737 Flüchtlingen Schutz gewähren soll, will gar nur 50 Menschen aufnehmen – um drastische Beispiele zu nennen.

Dabei könnte die Belastungsprobe für die Europäische Union noch viel schlimmer kommen: 20 Millionen Flüchtlinge befinden sich in der europäischen Nachbarschaft, davon Millionen Syrer, die nur darauf warten, in die EU zu kommen. Als Wirtschaftsflüchtlinge lassen sich diese gewiss nicht abstempeln. Dem Bürgerkrieg in ihrem Land schaut die internationale Gemeinschaft seit Jahren tatenlos zu. Syriens Nachbarländer, die Millionen Syrer bis zur Zerreißprobe ihrer Länder aufgenommen haben, konnten nicht einmal mit entsprechender Finanzhilfe der Europäer rechnen.

Längst an der Schmerzgrenze

Die geltende Regel, dass Flüchtlinge im Erstaufnahmeland um Asyl ansuchen müssen, und die Blockadehaltung der fernab des Mittelmeeres liegenden EU-Staaten hat Italien und Griechenland längst an ihre organisatorischen, finanziellen und politischen Schmerzgrenzen gebracht. Vor allem Griechenland, das sowohl mit Bootsflüchtlingen auf den Urlauberinseln, als auch mit syrischen und irakischen Bürgerkriegsflüchtlingen auf dem Landweg konfrontiert ist, hat auch ohne diese Not leidenden Menschen genug eigene Probleme.

Und die Italiener haben die Nase ebenfalls gestrichen voll, dass von der viel beschworenen Solidarität in Europa rein gar nichts zu sehen ist. "Wir akzeptieren Europas Egoismus nicht", schimpfte Premier Renzi am Sonntag – es wird ihm nicht helfen. Der Druck auf ihn von Seiten der Rechtspopulisten wird steigen. Ein Phänomen, das alle in Europa nur zu gut kennen und entsprechend agieren.

Kein Wunder also, dass Italien und Griechenland es mit der Registrierung der Flüchtlinge nicht so genau nehmen und sie gern in Richtung Norden weiterziehen lassen. Und mitunter auch die Tickets dafür zahlen.

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