Weder Islamisierung noch Versöhnung

Islamisten haben eine ganze Kultur in Misskredit gebracht. Pegida nützt das zum Sammeln von Ängsten.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Islamisten haben eine ganze Kultur in Misskredit gebracht. Pegida nützt das zum Sammeln von Ängsten.

von Andreas Schwarz

über Islamisierung

Ein islamisches Lied in Kirchen und ein Weihnachtslied in Moscheen – aus dieser angeblichen Idee eines deutschen Grünen zur "Versöhnung" von Morgen- und Abendland ist dann doch nichts geworden. Aber sie zeigt die Oberflächlichkeit, mit der im Westen dem Thema Islam begegnet wird: Musik zählt für strenggläubige Muslime zu den "verbotenen Freuden", religiöse Lieder kennt der Islam nicht. Versöhnung auf diesem Weg also ausgeschlossen.

Mit eher kenntnisfreier Euphorie hat der Westen vor vier Jahren schon den Beginn des Arabischen Frühlings begrüßt: Eine demokratisch orientierte, aufgeklärte muslimische Mehrheit erhob sich gegen finstere Despoten? In Wahrheit war es eine von medialer Eigendynamik angefeuerte Minderheit, die zwar den Sturz der Ben Alis und Mubaraks erzwang. Die aber nicht verhindern konnte, dass die Islamisten in Wartestellung ihre Chance ergriffen. Oder, wie es der libanesische Journalist Hisham Melhem in der Zeit formulierte: Die Unfähigkeit der nationalistischen Diktatoren öffnete dem Wiederaufstieg der Islamisten und der Barbaren Tür und Tor – "die arabische Zivilisation, wie wir sie einmal kannten, gibt es nicht mehr."

Die IS-Barbaren wüten gerade in Syrien und im Irak, wollen die ungläubige Welt in Blut ertränken, treiben Hunderttausende in die Flucht – und schon greift bei uns die nächste Oberflächlichkeit Platz: Nach dem Jubel über den Frühling gehen Zehntausende in Deutschland und vielleicht bald auch hier auf die Straßen – "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) ist das neue Modewort.

Freitagsgebet statt Sonntagsmesse?

All das wird dem Islam nicht gerecht. Ja, "es gibt nicht den geringsten Beleg dafür, dass sich der politische Islam mit moderner Demokratie versöhnen lässt" ( Melhem). Nein, die Muslime sind weit überwiegend keine Anhänger der Mörder des "Islamischen Staates". Ja, diese haben im missbrauchten Namen einer Religion in nur einem Jahr eine ganze Kultur in Verruf gebracht. Nein, die Muslime sind nicht drauf und dran, Europa zu überrollen und die Sonntagsmesse durch das Freitagsgebet zu ersetzen.

Unter dem Dach von Pegida sammelt sich ohnehin ein ganzes Bündel an (zum Teil dumpfen) Gefühlen: Die nicht auszumerzende Abneigung gegen das Fremde vor der eigenen Haustür (vor der Urlaubstür geht’s ja); die Verlustangst, was die eigene soziale Situation betrifft (die ist zwar nicht den Muslimen geschuldet, aber als Angstventil taugt sie gut); der reale Ärger über großzügige Sozialleistungen für Zuwanderer bei eigener, zum Beispiel: Mindestrente; der Frust über jene teils schon lange im Land befindlichen Neubürger, die beharrlich jegliche Integration verweigern; die Abneigung gegen die Regierenden, die von den Problemen der Menschen so weit weg sind – das auszudrücken ist jede Demo recht.

Wer eine Antwort auf all das weiß, hat viele (gesellschafts-)politische Probleme gelöst. Mit Liedern und mit Aufklärung über den Islam oder die nicht drohende Islamisierung Europas lassen sie sich nicht aus der Welt schaffen.

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