Warnungen vor der Nazi-Zeit altern nicht

In der Geschichtsaufarbeitung hat Österreich noch viel zu tun. Dabei müssen auch Tabus gebrochen werden.
Margaretha Kopeinig

Margaretha Kopeinig

In der Geschichtsaufarbeitung hat Österreich noch viel zu tun.

von Dr. Margaretha Kopeinig

über Vergangenheitsbewältigung

Zeitgeschichte erregt und bewegt die Gemüter: Das zeigen die vielen Reaktionen auf den KURIER-Artikel (siehe hier) über Österreicher, die sich beim Anblick straßenwaschender Jüdinnen und Juden amüsierten (Eine "Hetz" bei der "Reibpartie"). In einer Installation, die heute, Donnerstag, am Albertina-Platz in Wien eröffnet wird, zeigt die bekannte Filmemacherin Ruth Beckermann "Bilder der Täter, der Zuschauer, der Gaffer, der Grinser und der Mitläufer".

77 Jahre nach den irrsinnigen Ereignissen, die in dem einmaligen Zivilisationsbruch der systematischen Vernichtung der Juden endete, gibt es immer noch aufgebrachte Stimmen, die Schluss der Debatte über die Nazi-Zeit fordern und von einseitigen Darstellungen sprechen. Die, die so denken, gehören altersmäßig aber nicht nur zur Generation von gestern, auch viele jüngere Menschen sind darunter.

Dass das Erinnern an die NS-Verbrechen in einer Gesellschaft fest verankerter Bekenntnisse und Werte nach wie vor lückenhaft und verzerrt ist, muss als Alarmsignal gedeutet werden. Hat der Geschichte-Unterricht Defizite? Fehlt es an politischer Bildung in den Schulen? Warum gibt es eine heimliche Sehnsucht nach Führern und Unterdrückung von Schwachen und Minderheiten?

Kritische Literatur angesehener Zeithistoriker über den Nationalsozialismus gibt es genug. Dennoch werden Rechtsradikalismus und die Anfälligkeit für antisemitische Tendenzen verharmlost. Darüber zu reden ist nützlich, Warnungen altern nicht. Wir dürfen aber auch nicht verlernen zu fragen und zu hinterfragen und uns dabei schmerzhaften Tabu-Brüchen zu stellen. Vergangenheitsbewältigung hat nicht nur eine kollektive, sondern auch eine nützliche individuelle Bedeutung.

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