SPÖ muss jetzt oder nie Farbe bekennen

Die finale "Zerreißprobe" im Richtungsstreit um Rot-Blau ist eröffnet. Am Ende könnte die Parteispaltung stehen.
Josef Votzi

Josef Votzi

Die finale "Zerreißprobe" im Richtungsstreit um Rot-Blau ist eröffnet.

von Josef Votzi

über die SPÖ

Es steht ganz oben auf der Hit-Liste der Arbeiterlieder aus den 30er-Jahren, wird aber nur noch selten gesungen: "Wir sind das Bauvolk der kommenden Welt. Wir sind der Sämann, die Saat und das Feld. Wir sind die Schnitter der kommenden Mahd. Wir sind die Zukunft und wir sind die Tat." Das Kampflied gehörte bis weit in die 70er-Jahre zum Repertoire beim Mai-Aufmarsch. Es wirkt antiquiert, bei älteren Genossen auch schmerzhaft: "Bauvolk der kommenden Welt" war die SPÖ gestern, heute geben andere den Ton an. Die neue Volkspartei trägt Blau statt Rot. Zudem könnte für sie ein Albtraum wahr werden: An der Staatsspitze steht erstmals ein Blauer.

Das ist der Stoff, aus dem die Konflikte sind, die sich jetzt lautstark wie nie entladen. In der Kaderpartei SPÖ halten sich immer weniger an die Order: "Gestritten wird nicht am Balkon, sondern im Wohnzimmer" (Michael Häupl). Die Fronten gehen quer durch die Partei. Das Gros der Gewerkschafter will Rot Richtung Blau öffnen. ÖGB-Chef Foglar plädiert im profil erstmals offen dafür, "eine Regierungszusammenarbeit nicht mehr auszuschließen". Die Wiener SPÖ hat erst jüngst am Parteitag ihr Nein zu Rot-Blau einzementiert. Parteichef Werner Faymann blinkt für die Wiener Genossen in der Asylpolitik bereits zu sehr Richtung Blau; für die Gewerkschafter steht er bei Rot-Blau zu stark auf der Bremse. Bei diesem Zickzackkurs kommen immer immer weniger Wähler mit. Die SPÖ wird links von Grün, rechts von Blau aufgerieben.

Leichte Beute für Stimmungspiraten

Populisten haben schon lange ein leichtes Spiel mit den ratlosen Roten. Die stolze Arbeiterbewegung SPÖ war gestern. Heute werden die Arbeiter von anderen bewegt. Die FPÖ ist hier am Weg zur Zweidrittelmehrheit.

Rote Wähler von gestern sind zur leichten Beute für Vereinfacher und Haudraufs geworden. Statt auf (Arbeiter)-Bildung setzt die Partei auf die Kumpanei mit dem Boulevard. Dort wird die Parteiführung zwar regelmäßig hofiert. Tagtäglich dominiert aber ein schriller Dauerton. Dieser erzeugt Angst vor allem und jedem. Der Boulevard legt den roten Teppich für die Massenflucht ins Blaue.

Wer selbstständiges Denken mit Sanktionen bestraft und Intellektuelle für einen lästigen Aufputz hält, verliert auch den Anschluss an die gesellschaftliche Avantgarde. Die SPÖ droht bald zwischen allen Stühlen zu sitzen: Hie die einstigen Stammwähler, die von den blauen "Stimmungspiraten" (Süddeutsche Zeitung) gekapert werden. Dort die, die einst "ein Stück Weges" mit der SPÖ gingen, heute aber anderswo ihr politisches Glück suchen.

Die finale Debatte im roten Richtungsstreit zwischen "Noch mehr Blau ins Rot" und "Mehr Rot ohne Blaustich" ist ab sofort eröffnet. Just vorm höchsten roten Feiertag macht mit dem ÖGB-Chef nun der stärkste Arm der SPÖ für Rot-Blau mobil und eröffnet damit "eine Zerreißprobe für die SPÖ" (Erich Foglar). Ex-Innenminister Karl Schlögl hat am Samstag im KURIER offen gesagt, was am Ende dieser Zerreißprobe stehen könnte: Eine klarere Position in der Asylpolitik – auch um den Preis einer Parteispaltung.

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