Rette sich, wer kann führt in die Anarchie

Der Botschafter-Rückruf ist nur Symbol der Panik in Athen. Die EU schafft nur noch Sündenböcke statt Solidarität.
Josef Votzi

Josef Votzi

Die EU schafft nur noch Sündenböcke statt Solidarität.

von Josef Votzi

über die Ratlosigkeit der EU in der Flüchtlingskrise

Der Außenminister des kleinen Luxemburg schlägt auf die große Pauke: "Wir steuern in eine Anarchie hinein." Jean Asselborn stellt gar den hektischen EU-Sitzungsreigen infrage. Motto: Welchen Sinn machen Ratssitzungen, die nur neue Ratlosigkeit hinterlassen? Jetzt beruft Athen seine Botschafterin aus Wien ein – "um die freundschaftlichen Beziehungen zu bewahren". Tsipras nutzt die Gunst der Stunde, um kurz von sich abzulenken: Athen steht wegen des "Durchwinkens" der Flüchtlinge seit Monaten folgenlos am Pranger der EU.

Die Crux: Europa findet seit Eskalation von Krieg und Not in Syrien zu keinem gemeinsamen Weg in der Asylkrise. Nun gilt auch in der EU: Rette sich, wer kann. Die Mehrheit mauert gegen die (weitere) Übernahme von auch nur ein paar Hundert Flüchtlingen. Der Rest schottet sich offen mit Asylstopp (Schweden), Obergrenze (Österreich) oder – verschämt – mit Tageskontingenten (Deutschland) ab. Dazwischen die EU-Kommission als "Hüterin der Verträge", die von den EU-Staaten täglich zum eigenen Vorteil zurechtgebogen oder gebrochen werden. Jean-Claude Juncker bleiben nicht mehr als Mahnungen und die Einleitung von Strafverfahren. Das lässt nicht nur die Viktor Orbans kalt. Die Mehrheit der EU-Premiers fürchtet nicht das nächste EuGH-Urteil , sondern das ihrer Wähler.

Die Hoffnung auf bessere Tage lebt: WIFO-Chef Aiginger hat mitten in der größten Krise der EU eine erfrischend positive Vision für deren Neustart vorgelegt. Sein Expertenteam sollte dringend eine Nachspielrunde in Sachen Flüchtlinge einlegen: Wie schafft es die EU, den Retourgang aus der Sackgasse "in die Anarchie" einzulegen – und statt in heilloser Lose-lose-Taktik unterzugehen zu einer sinnvollen Win-win-Strategie zu finden.

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