Politik ist nicht "pfui"

Mitterlehner will das "Vertrauen in die Politik zurückgewinnen". Das ist ambitioniert, aber alternativlos.
Josef Votzi

Josef Votzi

Politik ist nicht 'pfui'

von Josef Votzi

über die neue Regierung

"Neue Regierung, neuer Stil" – "Gemeinsames vor Trennendes" – "Zusammenhalten statt streiten". Es gibt niemanden Vernünftigen im Land, der dazu nicht drei Mal lauthals Ja sagen würde. Außer er heißt Heinz-Christian Strache und stellt schon am Tag 1 des neuen Kabinetts einen Misstrauensantrag – ohne einen der sechs Neuen auch nur einen Tag im jetzigen Job erlebt zu haben. Es ist kein Wunder, dass angesichts solch hohler Politik-Rituale viele nur noch das große Gähnen befällt. Es ist in Phrasendrescher-Zeiten wie diesen daher höchst ambitioniert, was der neue ÖVP-Spitzenmann gestern im Parlament proklamierte: "Ich will, dass die Österreicher das Vertrauen in die Politik zurückgewinnen."

Als abschreckendes Beispiel nennt Reinhold Mitterlehner, was sich täglich auf den Posting-Seiten zu Politiker-Auftritten abspielt: "Schauen Sie ins Internet, auf Facebook. Dort herrscht ein Wettbewerb der Grobheiten und nicht der Argumente". Die meisten Foren der sozialen Netzwerke hören in der Tat auf die brandgefährliche Losung "Politik ist pfui". Wer, wenn nicht die gewählten Volksvertreter, soll sich denn um die Organisation unseres Zusammenlebens kümmern? Ein kleiner Putin?

Die Parole "Politik ist pfui" wird aber nur dann nachhaltig aus der Mode kommen, wenn die politischen Akteure dem frustrierten Geschimpfe weniger Nahrung geben.

Ein klares Zeichen des guten Willens haben beide Regierungsparteien gestern gesetzt. Der neue ÖVP-Chef steigt beim sturen Nein zu Gesamtschule und Vermögenssteuern vom Gas. Die ersten SPÖ-Minister lassen vom Mantra, "Die Reichen müssen zahlen", ab. Es braucht eine Steuersenkung, "egal wie".

Für Tag 1 nach dem großen Regierungsumbau ist das ein respektabler Anfang. Bis zum nächsten regulären Wahltermin sind es noch herausfordernde 1487 Tage.

Kommentare