Politik ist nicht mehr Monopol der Parteien

Zwei Außenseiter mit guten Startplätzen: Die unscheinbare Hofburg-Wahl wird zum machtpolitischen Testfall.
Josef Votzi

Josef Votzi

Zwei Außenseiter mit guten Chancen: Die Hofburg-Wahl wird zum machtpolitischen Testfall.

von Josef Votzi

über die Bundespräsidentenwahl

Der Sieger von Iowa wirbt für sich mit Videos wie diesem: "Making machine-gun bacon with Ted Cruz" – der Präsidentschaftsbewerber zeigt, wie er seinen Frühstücksspeck zubereitet. Er wickelt ihn um den Lauf seines Maschinengewehrs und feuert so lang ab, bis er mundgerecht durchgebraten ist. Der Republikaner schafft es so, gar Donald Trump zu überbieten.

Die Überraschung bei den Demokraten trägt graues Haar, eine unmodische Brille und ist mit 74 der Superstar bei den Jungwählern. Bernie Sanders punktet mit dem Versprechen der Abschaffung der horrenden Studiengebühren, Besteuerung der Wallstreet-Millionäre und generell der "Zähmung des Kapitalismus".

Entschieden ist bei den US-Vorwahlen noch gar nichts. Sie sind aber ein politischer Seismograf: Berechenbarer Mainstream war gestern. Den Ton geben Außenseiter an.

Die Kür des österreichischen Staatsoberhaupts im Mai ist mit der Wahl des US-Präsidenten im November keine Sekunde lang vergleichbar. Zwischen der Machtfülle Barack Obamas und Heinz Fischers liegen Welten. Ein Haudrauf wie Ted Cruz würde es nicht einmal in die Lugner-Liga schaffen. Was auffällt: Old-school-Politiker kommen auch hierzulande in der Startphase nicht so richtig vom Fleck. Honorige Repräsentanten der beiden Regierungsparteien wie Rudolf Hundstorfer ( SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) werden von einer absoluten Newcomerin und einem Comeback-Kandidaten in den Schatten gestellt.

Alle Meinungsumfragen weisen Irmgard Griss und Alexander Van der Bellen als aussichtsreiche Hofburg-Bewerber aus: Die Nicht-Profipolitikerin und der Ex-Politiker, der schon in seiner aktiven Zeit gerne so auftrat, als würde er nicht zur verfemten Kaste gehören.

Wähler Politiker-verdrossen, aber Politik-willig

In den USA treibt die Sehnsucht nach unverbrauchten und unkonventionellen Gesichtern im Augenblick die skurrilsten Blüten. In Österreich hat sich eine Politiker-Verdrossenheit breitgemacht, die nicht mit Desinteresse an Politik zu verwechseln ist. Der Wunsch mitzureden, ist ausgeprägter denn je. Er könnte beim machtpolitisch unscheinbarsten Wahlgang einen Systembruch einleiten: Politik ist nicht mehr Monopol von Parteien – zumal von zweien, die sich die Macht aufteilen. Das war lange höchst erfolgreich fürs Land. Jetzt, wo es nichts mehr zu verteilen gibt als Schmerzen, zerbröseln Säulen der Republik wie die Sozialpartnerschaft. Rot und Schwarz treten nur noch mal gegeneinander, mal gemeinsam auf der Stelle.

Fünf chancenreiche Kandidaten bei einer Hofburg-Wahl – darunter zwei Außenseiter, die nicht unter ferner liefen antreten – sind eine Premiere. Sie bringen auch ein höchst unterschiedliches Persönlichkeitsbild mit. Eine Präsidentschaftswahl, die bislang noch von Polit-Clowns à la USA verschont bleibt, eröffnet die Chance für einen spannenden Wahlkampf. Wen immer die Wähler am 22. Mai tatsächlich in die Hofburg entsenden: Das Land könnte danach politisch etwas reifer sein und ein wenig anders aussehen.

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