Politik by Hurra und Pfui bringt uns nicht weiter

Mehr Ernsthaftigkeit Marke Merkel in der Flüchtlingsdebatte wäre ab Montag auch hierzulande gefragt.
Josef Votzi

Josef Votzi

Hurra und Pfui zu Flüchtlingen bringt uns nicht weiter. Mehr Politik Marke Merkel wäre gefragt

von Josef Votzi

über den Wahlsonntag und die Flüchtlingsfrage

Montag/Dienstag auf Staatsbesuch in Indien; am Heimflug dann ein Zwischenstopp gemeinsam mit Frankreichs Präsident Francois Hollande im EU-Parlament in Straßburg; am Abend dann live im TV-Studio in Berlin. Herzlich, aber hartnäckig von Anne Wille eine Stunde allein zu einem Thema, zu Ihrer Entscheidung befragt, die Grenzen für Flüchtlinge offenzuhalten.

Angela Merkel verdiente allein für ihr Arbeitspensum Hochachtung. Ihr Auftritt verdient auch in Form und Inhalt höchsten Respekt. Die Kanzlerin, deren übervorsichtiges Formulieren den Begriff "merkeln" prägte, redet in der Flüchtlingskrise nicht um den heißen Brei herum. "Wir können die Grenzen nicht schließen. Wenn man einen Zaun baut, werden sich die Menschen andere Wege suchen", proklamiert sie, "Ich will mich nicht beteiligen an einem Wettbewerb, wer ist am unfreundlichsten zu den Flüchtlingen und dann werden sie schon nicht mehr kommen." Daran wird auch das Säbelgerassel der Schwesterpartei CSU in Bayern nichts ändern. Ausgestanden ist das Ringen um den Flüchtlingskurs auch in Deutschland noch lange nicht, zumal jetzt mit der SPD -Spitze auch der Koalitionspartner eine Obergrenze fordert (siehe Seiten 6, 7). Merkels wichtigstes Verdienst bleibt aber unbestritten: Sie beweist Führungsstärke. Ihre klare Position prägt das Niveau und die rationale Ausrichtung der Debatte.

Anständige Behandlung, aber klare Regeln

Eine derart ernsthafte Auseinandersetzung ist nach dem Wahlsonntag auch hierzulande überfällig. "Willkommen Flüchtlinge" ist eine höchst respektable persönliche Haltung. Viele freiwillige Helfer stehen dafür. Als politisches Konzept ist sie aber auf Dauer weder mehrheitsfähig noch sozial verträglich. Politik by Hurra oder Pfui bringt uns keinen Schritt weiter. Deutschlands Kanzlerin hat recht, wenn sie trotz Gegenwinds an einem nicht rüttelt: "Jeder Mensch hat das Recht, anständig behandelt zu werden, auch wenn er das Land wieder verlassen muss." Diese Grundhaltung ist mit nüchternem Realitätssinn der Marke Merkel auch hierzulande noch besser abzusichern. Mit einem Bündel von Maßnahmen: Schutzbedürftige sind weiter willkommen. Sie haben ein Anrecht darauf, anständig behandelt zu werden. Schnelleres Abschieben von Nicht-Schutzbedürftigen. Dass mehr als die Hälfte nach einem negativen Asylbescheid derzeit im Land bleibt, schadet denen, die dringend Schutz brauchen. Wer bleiben will, muss sich an die Regeln halten. Alle EU-Staaten müssen sich an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen. Hier ist auch finanzieller Druck per Bonus und Malus aus Brüssel notwendig und richtig. Die EU-Außengrenzen sind kein Strich auf der Landkarte. Dafür braucht es Hotspots, also Erstaufnahmezentren für Asylwerber und Kooperationen mit den wichtigsten Anrainerstaaten – also der Türkei und Libyen. Und last, but not least: Fluchtursachen bekämpfen. Der Bürgerkrieg in Syrien geht uns längst alle an.

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