Nicht die EU versagt, sondern die Staaten

Nationale Egoismen verhindern, dass Probleme – von Flüchtlingen bis Soziales – in Brüssel gelöst werden.
Martina Salomon

Martina Salomon

Nationale Egoismen verhindern, dass Probleme – von Flüchtlingen bis Soziales – in Brüssel gelöst werden.

von Dr. Martina Salomon

über die EU

Ist die EU ein teures, holprig arbeitendes Paralleluniversum, das mehr Probleme als Lösungen schafft? Stimmt und ist falsch. Lassen wir doch die Kirche im Dorf: Allein die Stadt Wien beschäftigt 11.000 mehr Bedienstete als alle europäischen Institutionen zusammen und gibt mehr Geld für Öffentlichkeitsarbeit aus. 90 Prozent des EU-Budgets fließen übrigens wieder an die Mitgliedsstaaten zurück. Und selbst wenn Sie sich über diverse Staubsauger- und Allergen-Verordnungen ärgern, steckt dahinter grundsätzlich Löbliches (Energie sparen, Allergiker schützen). Die Frage ist jedoch berechtigt, ob sich die EU mit solch (Über-)Regulierung nicht unnötig verzettelt.

Es ist müßig, sich über "die EU" aufzuregen – sie ist ja nicht mehr als die Summe ihrer Mitgliedsstaaten. Es stimmt, dass die EU im Falle von Griechenland, der Ukraine-Krise, der Flüchtlingsfrage, der Arbeitslosigkeit suboptimal agiert. Aber diese Fragen sind leider kein "Gemeinschaftsrecht" und können von "Brüssel" nicht eigenständig verhandelt werden. Wenn schon eine österreichische Regierung mit neun Bundesländern keinen Konsens über die Flüchtlingsaufteilung findet, wie soll dann dasselbe mit 28 souveränen Staaten funktionieren? Für Österreich wäre ein europaweiter Schlüssel eine Entlastung, aber die Ex-Ostblockstaaten wie Ungarn sowie Spanien und Großbritannien blockieren. Das ist ein fatales Signal für ein geeintes Europa, doch man sollte den nationalen Egoismus und nicht "die EU" kritisieren. Wobei eine gemeinsame, machtvolle EU-Außenpolitik wichtig wäre. Sie müsste Allianzen schmieden, in Syrien, Afghanistan, Jemen und anderswo eingreifen, Bürgerkriege beenden, Flüchtlings-Heimkehr organisieren. Eine wahre Herkulesaufgabe.

Wirkliche Fehler sind bei der Währungsunion geschehen: Sie wurde aus politischen Gründen viel zu schnell vorangetrieben. Manche Länder (Griechenland, aber auch weit wichtigere wie Italien), haben ihre mangelnde Wettbewerbsfähigkeit immer durch die Abwertung ihrer Währung ausgeglichen. Sie sind im Euro überfordert. Auch Österreich hält die europäischen Regeln nicht ein – nicht nur wegen des Hypo-Desasters.

Deutsches Stehaufmännchen

In Europa geht nun die Angst vor einem zu starken Deutschland um. Das liegt weniger an der Überheblichkeit der Deutschen, sondern daran, dass sie dank Tüchtigkeit (und trotz enormer Kosten für die Wiedervereinigung) wieder die Führungsrolle übernommen haben, ja sogar mussten. Zu Beginn der Währungsunion hatte man erwartet, dass Deutschland ohne D-Mark schwächer ist.

Trotz vieler Enttäuschungen sollte man das Beste an der EU nicht vergessen: Sie ist das bisher erfolgreichste internationale Friedensprojekt. Gerade angesichts der lodernden Krisenherde ringsum kann man das nicht hoch genug schätzen. Die EU funktioniert als erfolgreichste Wirtschaftsgemeinschaft der Welt. Sieben Prozent der Weltbevölkerung erwirtschaften ein Viertel des Welt-Wohlstands und genießen die Hälfte aller Sozialleistungen. Beim Freihandel zählten Österreichs Firmen bisher zu den Haupt-Profiteuren, auch wenn die Ost-Euphorie gerade ein wenig abgeflaut ist.

Wenn Ihnen also das nächste Mal wieder ein Politiker einreden will, die EU versage da oder dort, dann fragen Sie ihn bitte, ob er nicht Teil dieses "Versagens" ist.

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