Macht Öxit-Hofer jetzt auf Brexit-Boris?

Das Höchstgericht straft Verschwörungstheoretiker Lügen. Der Wahlkampf wird zeigen, wie nachhaltig das ist.
Josef Votzi

Josef Votzi

Macht Öxit-Hofer jetzt auf Brexit-Boris?

von Josef Votzi

über die Hofburg-Neuwahl

14 Richter, 67 Zeugen, vier Tage öffentliche Zeugen-Befragung. Einen derartigen Aufwand hat der Verfassungsgerichtshof noch nie getrieben. Das altehrwürdige Höchstgericht hat die Herausforderung bravourös genommen: Das Verfahren wurde schnell und gründlich, fair und transparent geführt. Die Stichwahl muss wiederholt werden – auch wenn es keinen einzigen Beweis für Wahlmanipulation gab. In 14 Bezirken wurden Stimmen vorzeitig oder ohne Wahlbeisitzer ausgezählt. Die Verletzung von Formalvorschriften reicht, um die gesamte Wahl für ungültig zu erklären.

Der Rechtsstaat hat ein kräftiges Lebenszeichen gegeben. Die FPÖ muss die vorbereitete Propagandawalze wieder einpacken: Das von Rot und Schwarz besetzte Höchstgericht habe dem grünen Wahlsieger die Mauer gemacht. Politisch absurd, aber juristisch begründbar: Der blaue Kandidat bekommt eine zweite Chance, weil blaue Wahlbeisitzer zugegeben haben, falsche Angaben über die Stimmenauszählung gemacht zu haben.

Ab sofort heißt es, zurück an den Start. Die Kandidaten bleiben die gleichen. Neu sind die Ausgangsbedingungen. Umfragen zeigen: Die Mehrheit hält die Vorwürfe der FPÖ für nicht so gravierend, dass die Wahl wiederholt werden sollte. Wem wird die Reprise eher nutzen oder schaden? Die FPÖ fühlt sich bestätigt und wird die Parole ausgeben: Jetzt erst recht, Hofer wählen. Und damit den Ärger ihrer Anhänger über eine teure Neuwahl vergessen machen. Alexander Van der Bellen wird sich hüten, in die Falle des schlechten Verlierers vor dem Höchstgericht zu tappen.

Wird Österreich zur Insel der Unseligen?

In Sachen Hofburg-Job selbst war schon Wochen vor dem 22. Mai alles mehrfach gesagt. Im zweiten Anlauf zur Hofburg-Stichwahl könnte nun ein neues brisantes Thema ein zentrale Rolle spielen. Denn mit dem Spiel mit dem Anti-EU-Feuer wurde am 23. Juni ernst. Der fahrlässige Brexit-Zündler Boris Johnson wollte nur seinen Konkurrenten David Cameron stürzen. Nun hat er die ganze Insel Richtung Abgrund mitgerissen: Höhere Steuern, Wachstumseinbruch und mehr Arbeitslose.

Europas Populisten suchen dennoch unverdrossen vom Sieg ihrer Gesinnungsfreunde zu profitieren. Heinz Christian Strache gratulierte den Briten zum "Brexit". Ob und wann er einen Öxit befürworte, darauf wollte sich der FPÖ-Chef zuletzt auch in der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger nicht festlegen. Norbert Hofer will der EU ein Jahr Zeit geben, sich zu reformieren und "auf ihre Grundwerte zu besinnen". Gelingt das nicht, ist Hofer für eine Austrittsabstimmung nach britischem Vorbild.

Alexander Van der Bellen wird bei diesem Reizthema mehr einfallen müssen, als sich – wie gestern beim Wiedereinstieg in die Wahlkampfarena – ausdrücklich zu verschweigen. Norbert Hofer aber wird sich fragen lassen müssen, was er jener Million Österreicher zu bieten hat, deren Job direkt vom Export abhängt– wenn er Österreich nach britischem Vorbild zur Insel der Unseligen machen will.

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