Wir fürchten uns vor den falschen Amis

Niemand kann uns zwingen, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu essen. Datensammeln ist gefährlicher.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Wenn man sich schon fürchten will, dann eher vor der Bedrohung durch Datenriesen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Datenschutz

Der Präsident der österreichischen Landwirtschaftskammer, Hermann Schultes, ist ein mutiger Mann. Im KURIER-Interview sprach er sich für das Handelsabkommen mit den USA aus, wenn es gut ausgehandelt ist, also vor allem unsere hervorragenden Lebensmittel vor dem Kopieren beschützt. Dafür wird Schultes, auch auf kurier.at, heftig beschimpft. "Bezahlter Lobbyist der USA", heißt es da etwa. Eine differenzierte Betrachtung der Fakten ist nicht immer der Stil der TTIP-Gegner, sie argumentieren eher kleinformatig.

Dafür wird ausgerechnet auch auf Facebook gegen einen verstärkten Handel zwischen den USA und der EU kampagnisiert. Facebook aber fragt nicht lange, sondern verwendet die Daten der Benutzer, ge- oder missbraucht diese für Werbung und ändert gerade seine Geschäftsbedingungen, um das permanente Datensammeln auch noch zu legalisieren. Inzwischen sind rund 3,4 Millionen Österreicher angemeldet, weltweit sind es rund 1,4 Milliarden Menschen. Und die meisten von ihnen sind sich nicht der Tatsache bewusst, dass Facebook nur theoretisch gratis ist. Mit den abgesaugten Daten werden Milliardengewinne gemacht, von denen in Europa so gut wie nichts hängen bleibt. Das Geschäftsmodell und die Steuerpraxis von Facebook und anderen – überwiegend US-amerikanischen Datensaugern – schädigt schon jetzt unsere Wirtschaft. Und das ist nur der Anfang. Wir fürchten uns vor angeblich bösen Lebensmitteln, während wirklich böse Datenplattformen, die noch besser verknüpft werden sollen, uns wirtschaftlich ernsthaft bedrohen.

Weltweite, riesige Datensammlungen

"Wir sind reich und hysterisch, das macht die TTIP-Debatte so schwierig", meinte der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kürzlich beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Sein Urteil für Deutschland könnte auch für Österreich gelten. Das Problem ist nur, dass wir nicht mehr lange reich sein werden. Österreich schrammt gerade an einer Rezession vorbei, Besserung ist nicht in Sicht. In einer solchen Lage wehren wir uns gegen mehr Handel. Ernsthaft? Dazu kommt, dass unsere Regierung, aufgerieben zwischen Saudi-Zentrum und Steuerstreit und im Wettlauf um schärfere Strafen für Integrationsverweigerer, die wahre amerikanische Bedrohung nicht verstehen kann oder will.

Facebook, Google oder Amazon, das sind Konzerne, die unabhängig von ihrem offiziellen Geschäftszweck riesige, weltweite Datensammlungen aufbauen. Das macht sie unendlich reich und gleichzeitig unendlich gefährlich. Wir alle, auch Medienhäuser wie der KURIER, wollen mit Facebook und Co. kooperieren, aber zu fairen Bedingungen. Diese müsste die EU endlich schaffen.

Interessant ist auch, dass Konsumentenschützer in Österreich hinter jedem zu stark gezuckerten Joghurt her sind und Datenschützer sich um die Sammlung von Telefondaten sorgen. Wenn man sich schon fürchten will, dann eher vor der Bedrohung durch Datenriesen.

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