Sanfter Zwang kann befreiend wirken

Integrations-Muffel ins Visier zu nehmen, ist weder blau noch rot. Es ist überfällig und grundvernünftig.
Josef Votzi

Josef Votzi

Sanfter Zwang kann befreiend wirken.

von Josef Votzi

über die Integrations-Debatte

Alle zusammen in einen Bus eine, hinter den Loibl obe – und sofort sprengen" – diesen verrückten Aufruf zur Gewalt gegen die ganze politische Klasse tat ein Kärntner Hotelier dieser Tage ungeniert unter voller Nennung seines Namens im Ö1-Journal-Panorama kund. Thema der Reportage: Die Stimmung in Kärntner Görtschitztal nach dem HCB-Skandal.

Die Wut gegen die oben wirkt längst toxischer als jedes Umweltgift. Wache Volksvertreter suchen zu Recht die Ausbreitung dieser brandgefährlichen Seuche einzudämmen – vor allem dann, wenn Wahlen vor der Tür stehen. Also machten der steirische und der burgenländische Landeschef im Windschatten des Terror-Attentats in Paris und des Aufschwungs von Pegida für Sanktionen gegen "Integrationsunwillige" mobil (mehr dazu hier): Wer etwa seiner Tochter den Schwimmunterricht untersagt oder eine Lehrerin als Gesprächspartnerin zu minder findet, solle mit härteren Strafmaßnahmen rechnen müssen.

Dass Integration für manchen Zuwanderer auch nach Jahren im Land ein Fremdwort bleibt, ist nicht neu. Auffällig ist, dass gleich zwei rote Spitzenpolitiker den Missstand offensiv ansprechen. Geriert sich dabei der rote Voves tatsächlich "wie Pegida", wie Michael Häupl wettert? Mit Ordnungsrufen war auch Wiens Bürgermeister nicht immer zimperlich. Er drohte vor Jahren, Väter, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken, höchstpersönlich "das Ohrwaschl abzureißen". Niessl und Voves brachten nun, vergleichsweise harmloses, "Tafelwischen" für bockige Schüler ins Spiel.

Praktiker halten von Rückgriffen auf die schwarze Pädagogik allein aber wenig. Sie fühlen sich zuvorderst von der Politik alleingelassen. Ihnen fehlt es vor allem an geschultem Personal vor Ort (siehe hier).

Watschentanz für die Showbühne

Auch Michael Häupl proklamiert seit Jahren zu Recht: Mangelnde Integration ist primär eine soziale Frage. Der Schlüssel zur Verbesserung heißt Bildung, Bildung, Bildung ... Ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr wirkt nachhaltiger als tägliches Tafelwischen. Ein Deutschkurs als zwingende Voraussetzung für den Bezug von Sozialleistungen trägt mehr zur Integration bei als jede gut gemeinte Werbekampagne. Bei Frauen, die auch nach 20 Jahren im Land keinen deutschen Satz sagen können, weil sie von ihren Männern eisern an Heim und Herd gefesselt wurden, kann sanfter Zwang befreiend wirken.

Der aktuelle Watschentanz in Rot mag für den einen oder anderen die Ausgangslage bei der Wahlen verbessern. Nur so ist das Match jeder gegen jeden zu erklären: Häupl versucht den politischen Spagat zwischen Rot- und Grün; Voves und Niessl den zwischen Rot und Blau. Alle drei verbindet: Wegschauen war endgültig gestern, heute ist allerorten Offen-über-Missstände-Reden angesagt. Die Glaubwürdigkeit der Politik ist zu angeschlagen, als dass es allein für gute Vorsätze nachhaltig Applaus gibt. Entscheidend wird sein, ob und was sich spürbar ändert: In der Schule, am Spielplatz, im Park und im Gemeindebau.

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