Neue Spielwiese für Populisten, nein Danke

Wer Schweizer demokratische Verhältnisse will, muss zuerst mit den österreichischen Zuständen aufräumen.
Josef Votzi

Josef Votzi

Wenn knapp vor einer Wahl alle Parteien „ Mehr Demokratie“ wollen, ist Misstrauen geboten

von Josef Votzi

über die Direkte-Demokratie-Debatte

Mehr Mitsprache für alle, ein klarer Fall für Applaus von allen? Wenn knapp vor einer Wahl alle Parteien „Mehr Demokratie“ wollen, ist Misstrauen geboten. Parolen für „Mehr Plebiszite, ja bitte“ sind rasch bei der Hand, die Gretchenfragen verstecken sich im Kleingedruckten: Worüber soll das Volk per Befragung richten? Über Wehrpflicht oder Berufsheer – Ja, sicher. Über Budgetausgaben (etwa für den Euro-Rettungsschirm ESM) oder Steuereinnahmen (etwa eine „Reichensteuer“) – im Prinzip Ja, aber Nein, wenn das EU-Recht dagegen steht.

Plebiszit-Fans preisen gerne die Eidgenossen als Vorbild an. Wer Höhenflüge auf Schweizer Niveau will, muss erst Barrieren gegen die österreichischen Abgründe errichten. Von 37 Volksbegehren übersprangen bisher zehn die Zehn-Prozent-Marke. Das ist jene Grenze, ab der Rot & Schwarz künftig eine verpflichtende Volksbefragung zulassen wollen. Betreiber war hier so gut wie nie eine Gruppe bewegter Bürger, sondern ein Parteichef oder ein Zeitungszar. Für das erfolgreichste Plebiszit („Gegen Bau Konferenzzentrum“) mobilisierte die ÖVP; für die „Pro 40-Stunden-Woche“ der ÖGB und für das „Gentechnik-Volksbegehren“ die Kronen-Zeitung.

Mehr Demokratie braucht viel mehr als mehr Abstimmungsinstrumente: Zuallererst faire Chancen für alle bewegten Bürger, ihre Anliegen erfolgreich am Stimmzettel zu platzieren: Etwa von garantierter Sendezeit im öffentlich-rechtlichen ORF bis zur Werbekosten-Rückerstattung nach Vorbild der Parteien-Förderung.

Solange die neuen Plebiszit-Fans diese Kardinalfragen schamhaft umschiffen, betreiben sie am Ende nur die zweifelhaften Geschäfte der Populisten in der Politik und am Medien-Boulevard.

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