Flüchtlinge brauchen Gipfel der Gutwilligen

Kardinal und Präsident sagen zu Recht: Wir tun bereits viel. Die weltweite Not verlangt jetzt aber nach mehr.
Josef Votzi

Josef Votzi

Flüchtlinge brauchen Gipfel der Gutwilligen

von Josef Votzi

über die jüngsten Boots-Katastrophen

Der Personalmanager aus Aleppo hatte noch alles verkauft, was er besaß, um der Kriegshölle in Syrien entfliehen zu können. Der knapp 17-jährige Afghane aus Jalalabad wagte alleine die Flucht (siehe hier). Hunderte Menschen versuchen noch immer fast täglich, von der libyschen Küste aus ins gelobte Land Europa überzusetzen. Daran haben auch die jüngsten Boots-Katastrophen mit über tausend Toten nichts geändert. Niemand flieht ohne Not, niemand lässt seine Heimat möglicherweise für immer aus Jux und Tollerei hinter sich.

Eine Viertelmillion Menschen machte sich im Vorjahr so auf den Weg. Heuer könnten es doppelt so viele sein. Die Vorstellung, dass Europa mit Flüchtlingen aus aller Welt überschwemmt werde, macht massiv Angst – und eine sachliche Debatte schwerer denn je. Wer nicht in den großen Chor jener einstimmt, die simpel skandieren "Wir können doch nicht alle nehmen", wird mit aggressiven Mails überhäuft. Tenor: Wie viele Flüchtlinge sitzen eigentlich schon in Ihrem Wohnzimmer?

Im neuen Asylstreit gibt es aber keine einfachen Lösungen und keine erprobten Rezepte. Öffnet Europa seine Grenzen uferlos, droht es politisch und sozial zu kippen. Macht es seine Festungsmauern noch stärker dicht, wird das wirklich Verzweifelte nicht darin hindern, neue und noch lebensgefährlichere Fluchtwege zu finden.

Selbst mit militärischen Mitteln können Fluchtwillige nicht auf Dauer aufgehalten werden.

Angstbeißer und Hetzer vergiften das Klima

Die angstbeißerische Antwort "Macht endlich alle Grenzen zu Wasser und zu Lande für illegale Migranten dicht" ist nicht nur unmenschlich, sondern auch ineffizient im Sinne ihrer Erfinder. Kurzfristig braucht es mehr Geld für humanitäre Lösungen. Die Aufstockung des EU-Budgets für die Rettung von Mittelmeer-Flüchtlingen wird dafür nicht reichen. Überfällig ist eine gerechtere Verteilung der Asylwerber auf alle 28 EU-Länder. Das könnte auch das strikte Wähler-Nein zur Aufnahme von neuen Flüchtlingen aufweichen (s. Umfrage re.). Die zunehmende Flucht aus Armut, Hunger oder vor Krieg braucht über allem aber nachhaltige politische Antworten. Die Debatte darüber steckt erst in den Kinderschuhen. Einen bemerkenswerten Vorschlag hat jüngst Kardinal Christoph Schönborn dazu gemacht. In einem Brief "bittet" er die Regierung, das ewige Versprechen von mehr Entwicklungshilfe wahr zu machen und diese um eine Milliarde Euro anzuheben. Eine Forderung, die Bundespräsident Heinz Fischer nicht nur unterstützt. Die beiden höchsten moralischen Instanzen sagen zudem laut und deutlich: Österreich tut bereits sehr viel für Flüchtlinge, das ist derzeit "aber natürlich noch nicht genug"(Fischer).

Das macht Hoffnung in einem aufgeheizten Klima, in dem Angstbeißer und Hetzer den Ton anzugeben suchen. Der Vorstoß von Schönborn & Fischer sollte Anstoß für ein Gipfelgespräch der Gutwilligen im Flüchtlingsdrama sein: Wo und wie kann das reiche Österreich noch mehr für die vielen Verzweifelten rund um uns tun.

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