Europa als Erfolg von Freiheit und Aufklärung

Russische Ideologen treiben den Diskurs von Werten voran. Den kann der Westen aber nur gewinnen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Russische Ideologen treiben den Diskurs von Werten voran. Den kann der Westen aber nur gewinnen

von Dr. Helmut Brandstätter

über Europa

Am 4. Juni 1989 gingen die Polen zu den ersten freien Wahlen, die Lech Walesa und seine Solidarnosc erkämpft hatten. Da war Barack Obama noch Jus-Student in Harvard. Am Mittwoch erklärte der US-Präsident in Warschau: "Der Funke für das revolutionäre Handeln ging von Polen aus, hier wurde Geschichte geschrieben." Und zwar die Geschichte einer Befreiung vieler Völker, die Kommunismus und Sowjetherrschaft nicht mehr ertragen wollten und ihre Diktatoren in ganz Mittel - und Osteuropa verjagten.

Die osteuropäische Revolution war auch das Ende des Kalten Krieges, das Ende der militärischen Drohgebärden von Warschauer Pakt und NATO mitten in Europa. Doch genau das fürchten viele Polen jetzt wieder. Angesichts der russischen Aggression in der Ukraine schrieb ein polnischer Kommentator kürzlich: "Der bedrohte Westen, das sind heute wir."

Die Polen sind aufgrund ihrer Geschichte immer hellhörig. Im 18. Jahrhundert wurde ihr Staatsgebiet drei Mal geteilt, später bedienten sich Hitler und Stalin.

An die Geschichte, nämlich 200 Jahre "Heilige Allianz", das Bündnis zwischen dem russischen Zaren, dem preußischen König und dem Kaiser von Österreich im Sinne des "Gottesgnadentums", erinnerte kürzlich in Wien eine Runde, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun hat, offenbar aber gemeinsame Pläne hegt: Ideologen eines neuen Groß-Russland und führende Vertreter von europäischen Rechtsparteien. Die FPÖ will es als privates Treffen herunterspielen, wenn ihr Chef Heinz Christian Strache dem Putin-Ideologen Alexander Dugin lauscht. Aber dieser Dugin weiß, wie er Wladimir Putin gefällt: mit antiwestlicher Stimmungsmache und großrussischen Fantasien.

Erfolgreiche westliche Wertegemeinschaft

Hier steht die Europäische Union in der Tradition von Freiheit und Aufklärung gegen den Versuch, wieder ein autoritäres Reich unter der Führung Moskaus zu zimmern. Aber warum lässt sich eine österreichische Partei mit Politikern, die eine Schwächung Europas wollen, ein? Die Antwort darauf weiß nicht einmal Chefideologe Andreas Mölzer. Im Magazin Zur Zeit fragt er, ob die rechten Wahlsieger Marine Le Pen und Nigel Farage einen Plan für Europa haben, der nicht nur Franzosen und Briten, sondern auch die übrigen Völker des Kontinents umfasst. Deutsche und Österreicher, laut Mölzer "die Besiegten von 1945" seien politisch zu schwach, um das Schicksal Europas federführend zu gestalten.

Abgesehen von der Geschichtslüge – wir wurden 1945 befreit und nicht besiegt – ist man zunächst verwirrt: Die einstigen Westmächte sind für Mölzer der Feind, das siegreiche Russland der neue Freund? Oder gibt sich die FPÖ im Verein mit Marine Le Pen als nützlicher Idiot her, der die Europäische Union im Auftrag Putins schwächen will? Österreich wurde – wie Polen – erfolgreicher Teil der westlichen Wertegemeinschaft. Das sollten endlich auch Strache und Co. begreifen.

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