Dieser Papst schreibt schon jetzt Geschichte

Erst acht Monate im Amt ist Franziskus für die Kirche bereits heute Weihnachten und Ostern zugleich.
Josef Votzi

Josef Votzi

Dieser Papst schreibt schon jetzt Geschichte

von Josef Votzi

über den Vatikan

Jorge Mario Bergoglio hat alle Anlagen zum Partycrasher. Vor dem ersten Adventsonntag ließ Papst Franziskus mit einer „Regierungserklärung“ aufhorchen, deren Sprengkraft im vorweihnachtlichen Lärm unterging. Für schnelle Schlagzeilen sorgte die Ankündigung eines radikalen Umbaus der Kirche, inklusive Reform des Papsttums.

Wer das ganze vielseitige Dokument liest, kommt aus dem Staunen nicht heraus. „Diese Wirtschaft tötet“ buchstabiert der Papst die gängige Gesellschaftskritik der katholischen Soziallehre drastisch neu: „Der Mensch wird als Konsumgut betrachtet, das man gebrauchen und wegwerfen kann.“ Ursachen dafür und für die weltweite Finanzkrise sind für ihn „die Ideologien, die die absolute Autonomie der Märkte verteidigen“ und „das Kontrollrecht der Staaten bestreiten“.

Franziskus lässt deutlich spüren, dass er seine Wurzeln in Lateinamerika hat. Seine Kritik nimmt Anleihe bei jenen „Befreiungstheologen“, die von Vorgängern noch mit Entzug der Lehrerlaubnis geächtet wurden. Der Papst predigt eine „vom Marxismus gereinigte“ Befreiungstheologie“, analysieren di „Vaticanisti“. Unter Gegnern soll er nur noch als „Che Bergoglio“ firmieren.

Nicht nur Freunde macht er sich auch mit der Botschaft für die eigenen Reihen, raus aus der bequemen Mitte, hin zu den Randexistenzen: „Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit krank ist.“

Frohbotschaft statt Drohbotschaft

Das aufsehenerregende Dokument trägt den Titel „Evangelii Gaudium“ , von der „Freude des Evangeliums“. Dieser Papst ist auch als Person für immer mehr Menschen ein Quell der Freude; weil er mit Frohbotschaften statt Drohbotschaften von sich reden macht; weil er für einen Kirche des Erbarmens und des Aufbruchs steht. „Viele, die ihn gewählt haben, haben ihn unterschätzt. Sie glaubten, einen barfüßig frommen Franziskaner zu bekommen und nicht einen gewieften Jesuiten“, sagt der renommierte Wiener Theologe Paul Michael Zulehner.

Vom Vatikan aus machen sich historische Umbrüche breit. Ohne großes Aufsehen läuft derzeit weltweit eine Art Kirchenvolksbefragung. In Österreich hat deshalb jüngst auch der Dachverband aller kirchlichen Organisationen, die „Katholische Aktion“, eine eigene Homepage eingerichtet (www.wodruecktderSchuh.at). Mit 40 ganz konkreten Fragen wird via Schulnoten-Skala das aktuelle Meinungsbild zu katholischen Streitthemen erhoben; vom Umgang mit Geschiedenen bis zu Lehraussagen zur Verhütung. Das Ergebnis soll 2014 präsentiert und auf einer Zusammenkunft aller Bischöfe diskutiert werden. Für Rom ist nicht nur das Tempo, sondern auch die Vorgangsweise revolutionär. Papst Franziskus ist umwerfend radikal und noch für viele Überraschungen gut. Die in seinen ersten acht Amtsmonaten waren für die Kirche bereits Weihnachten und Ostern zugleich.

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