Die Politik redet zu viel mit sich selbst

Die Kommunikation der Politik ist noch nicht in der digitalen Welt angekommen. Jetzt wird’s aber Zeit.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Die Kommunikation der Politik ist noch nicht in der digitalen Welt angekommen. Jetzt wird’s aber Zeit

von Dr. Helmut Brandstätter

über die sozialen Medien

Die Bild-Zeitung macht sich Sorgen um Österreich. "Erschreckend" finden die deutschen Kollegen, dass fast ein Drittel der Österreicher einen "starken Führer" wolle. Das ergab eine Untersuchung des Wiener Instituts für Zeitgeschichte, über die auch der KURIER berichtet hat. Bild fand auch ein paar Österreicher, die ihren Wunsch konkretisierten: Ein Politiker müsse "öfter mal auf den Tisch hauen, wie Wladimir Putin", meint einer, ein anderer findet, "im Parlament wird zu viel herumgeeiert."

So ist das halt in der Demokratie. Wenn ein Politiker auf den Tisch haut, dann "beeindruckt das nicht einmal den Tisch", wie der frühere deutsche Kanzler Willy Brandt befand. Und Parlamente sind – im Idealfall – dafür da, dass um Kompromisse gerungen wird. Das kann lange dauern und man nennt das Demokratie.

Richtig ist auch, dass es der Regierung nicht mehr gelingt, einen permanenten Meinungsaustausch mit der Bevölkerung zu führen. Weil sie die Chancen und Möglichkeiten der digitalen, also interaktiven Medien nicht erkannt hat und die alten Medien so behandelt wie immer: von oben herab.Beispiel ORF: Wer Vorsitzender im Stiftungsrat ist, interessiert außer ein paar Funktionären niemanden. Wenn die SPÖ in dieser Woche wieder eine Demonstration ihrer Macht abgeliefert und einen Ex-Nationalrat installiert hat, so war das eine klassische Botschaft nach innen: Schaut her, wir haben den ORF im Griff. Dass dadurch dessen Ruf wieder leidet, stört die Partei nicht. Die Schüssel-ÖVP war ja noch schlimmer.

Beispiel Zeitungen: Hier glauben noch immer PolitikerInnen, dass ihnen freundliche Artikel nach heftigem Inseratenkauf im Gratis-Sektor Sympathien bringen. Wenn das so wäre, würden die Beliebtheitsrankings der MinisterInnen anders aussehen.

Verantwortung muss wieder spürbar werden

Die Welt der sozialen Medien ist unberechenbar, und sie verlangt permanente Aktivität. Das aber ist die Chance, mit Menschen in Kontakt zu treten und aus ihnen Wähler zu machen. Da aber muss man mit Widerspruch leben können, Parteidisziplin ist hier ein Fremdwort.

Aber auch das Fernsehen kann politische Inhalte vermitteln, wenn es nur will. Die Diskussion der EU-Spitzenkandiaten Juncker und Schulz, die auch der ORF übertragen hat, zeigte, dass Politiker auch sachlich und zugleich emotional diskutieren können. Das EU-Parlament ist inzwischen eine der wichtigsten Versammlungen des Planeten, wie der Spiegel schreibt. Da werden Entscheidungen für jeden von uns gefällt (siehe Special zur EU-Wahl). Warum hat der ORF nicht eine Reihe von Bürgerforen geplant?

Ein Mitglied der Bundesregierung erinnert im persönlichen Gespräch gerne an die Verantwortung der Medien. Recht hat der Mann. Aber die Verantwortung müssen Medien und Politik gemeinsam tragen. Ohne unanständige Geschäfte aller Art. Dann wird der Wunsch nach dem starken Mann auch wieder kleiner werden.

Alle Infos und Hintergründe: Das große Special zur EU-Wahl

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