Bei dieser Wahl ist noch alles möglich

Der 29.9. 2013 wird auch ohne Schreckgespenster aus der rot-schwarzen Mottenkiste hochspannend.
Josef Votzi

Josef Votzi

Der 29.9. 2013 wird auch ohne Schreckgespenster aus der Mottenkiste hochspannend.

von Josef Votzi

über den Wahltag

Der ÖVP-Chef versuchte es nach dem TV-Duell Rot gegen Grün mit einem scherzhaften Vergleich: „Ich habe geglaubt, der ORF sendet noch einmal ‚Liebesg’schichten und Heiratssachen‘.“ Die SPÖ trommelt mit bitterernster Miene: „Nein zu Schwarz-Blau“. Werner Faymann und Michael Spindelegger holen im Wahlkampf-Finale ihre liebsten Schreckgespenster aus der Mottenkiste: Rot-Grün gegen Schwarz-Blau.

Dass dieses Land bereits einmal schwarz-blau regiert wurde ist gerichtsnotorisch. Die paar couragierten Reformschritte (etwa bei den Pensionen) gingen längst im Skandal-Sumpf unter. Für eine Neuauflage fehlt die rechnerische Mehrheit und der politische Wille.

Die Liebe zu Rot-Grün ist nach den ersten zwei Beziehungsjahren in Wien nicht mehr so heiß wie am ersten Tag. Für eine Mehrheit wird es im Bund einmal mehr nicht reichen. Schwarz-Blau oder Rot-Grün sind am 29. September also genauso wahrscheinlich wie 30 Grad im Schatten am 24. Dezember auf dem Wiener Stephansplatz. Diese billige Wahlkampf-Mär wird in den zwei Wochen bis zur Wahl dennoch weiter getrommelt werden, als wären wir ein Volk von tumben Toren.

Die zynische Verhöhnung mit diesen hohlen Schreckgespenstern löst bei immer mehr Wählern nachhaltige Aversionen aus. An den Stammtischen aber auch in den bürgerlichen Salons heißt es so immer öfter: Wählen ist sinnlos, weil sich ohnehin nichts ändert.

Gefährliche Wahlkampf-Mär von unten

Diese Wahlkampf-Mär von unten mag emotionell verständlich sein. Sie wird durch ständige Wiederholung aber weder wahr, noch macht sie einen Sinn. Die zweite, große Mär dieses Wahlkampfs ist der klassische Fall einer Selffullfilling Prophecy: Je weniger am Wahltag mit ihrer Stimme kundtun, was sie wollen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich alles beim Alten bleibt.

Dabei ist die Auswahl so groß wie nie: Der Stimmzettel hat heuer in manchen Bundesländern (wo bis zu 14 Gruppen kandidieren) beinahe das Ausmaß eines Plakats. Für die neun in allen Bundesländern gelisteten Parteien können zudem erstmals österreichweit Vorzugsstimmen für einen Kandidaten vergeben werden. Das gibt die Chance auf echte Umwälzungen auf den Parteilisten.

Und der wahre Lager-Wahlkampf verläuft heuer an zwei hochspannenden Front-Linien. Das Oppositions-Lager liefert sich einen verbissenen Verdrängungswettbewerb: Grün will Blau Platz 3 streitig machen, Orange kämpft ums Überleben, die Neos um den Wiedereinzug einer liberalen Kraft ins Hohe Haus und Frank Stronach um den Sprung in zweistellige Prozenthöhen.Im Regierungslager ringen Rot und Schwarz um die Gewichtsverteilung in der kommenden Koalition.

Rot-Grün und Schwarz-Blau können sich in der Mottenkiste schon gemütlich einrichten.

Die Wahl 2013 bleibt auch ohne diese Schreckgespenster bis zuletzt hochspannend.

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