Bei der Fußfessel sind nicht alle gleich

Justiz lässt sich von Schlitzohr Kartnig an der Nase herumführen, das stellt ein ganzes System infrage.
Ricardo Peyerl

Ricardo Peyerl

Justiz lässt sich von Schlitzohr Kartnig an der Nase herumführen, das stellt ein ganzes System infrage

von Ricardo Peyerl

über Kartnig

Society-Tiger Hannes Kartnig trickst die Justiz aus – und nichts passiert. Das gibt jenen Auftrieb, die es immer schon gewusst haben: Die Reichen und Mächtigen können es sich richten. In diesem Fall tut man sich schwer, zu widersprechen. Der KURIER konnte 2010 einen der ersten Fußfessel-Kandidaten im Hausarrest besuchen und erfuhr dort: Honiglecken ist das auch keines. Der "kleine" Zigarettenschmuggler durfte nur zur Arbeit und wieder heimfahren, zwei Mal pro Woche Einkäufe erledigen, Arzt und Bewährungshelfer aufsuchen, das war’s. Die Kinder zum Spielplatz begleiten? Zum Nachbarn laufen, wenn der Kaffee ausgegangen ist? Nix da, jeder Schritt, der nicht im überwachten Stundenplan eingetragen ist, löst Alarm aus.

Der zu 15 Monaten Freiheitsentzug verurteilte Kartnig aber wurde mitsamt Fußfessel bei einer Opernpremiere gesichtet. Als Strafe kann man das wirklich nicht mehr verkaufen. Kartnig hatte – abseits des strengen Zeit-Korsetts, das Fußfesselträgern auferlegt wird – beim Leiter der zuständigen Justizanstalt bereits mehrfach um 12 Stunden Ausgang für "familiäre Kontaktpflege" angesucht und genehmigt bekommen. Bis ein Uhr Früh! Ausgänge werden Häftlingen gewährt, damit sie ihre Lieben daheim besuchen können. Aber Kartnig sitzt seine Strafe ohnehin daheim bei seiner Frau ab. Also wozu Ausgang, und vor allem, wohin? Zur Oma, um ein Uhr Früh?

Angeblich darf man Kartnig wegen seines Verstoßes gegen die Auflagen nicht gleich einziehen, ohne zuvor eine förmliche Ermahnung ausgesprochen zu haben. Mag sein. Aber dass es ausgerechnet einem Schlitzohr wie Kartnig gelingen kann, das System auszuhebeln und damit die ganze Fußfessel-Regelung in Verruf zu bringen, das ist der eigentliche Skandal.

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