Kern legt der müden Koalition hohe Latte

Kanzler und Vizekanzler wollen nur noch im Duett auftreten, wenn sie auch wirklich etwas zu sagen haben.
Josef Votzi

Josef Votzi

Kern legt hohe Latte: Kanzler & Vize treten nur noch im Duett auf, wenn sie etwas zu sagen haben.

von Josef Votzi

über das Aus für Ministerrats-Auftritt

Bruno Kreisky inszenierte seinen wöchentlichen Auftritt nach dem Ministerrat nach allen Regeln der dramaturgischen Kunst: Mal dozierte er zehn Minuten lang über die Weltläufe zwischen Nahem Osten und Ostküste; mal kanzelte er unbotmäßige Journalisten Fragen ab ("Lernen Sie Geschichte, Herr Reporter"); mal sorgte er mit seiner Energiesparidee, sich wieder aufs Nassrasieren zu besinnen, für tagelang lebhafte Unterhaltung auf den Innenpolitik-Seiten. In den 70er-Jahren, als viele Staatsbürger noch ehrfürchtig zu Politikern und Honoratioren aufblickten, war die wöchentliche Herablassung des "Sonnenkönigs" zu den Journalisten und damit zu allen Staatsbürgern ein TV-Ereignis.

Kreiskys Nachfolger hatten damit schon lange keine Freude. Als Doppelconference funktionierte das Format, das für einen Alleinunterhalter gedacht war, nie wirklich. Die Rückkehr zu einem Soloauftritt ließ die Koalitionsräson nicht zu. Mit dem einstigen Signal der Öffnung ganz Schluss zu machen, getraute sich bisher niemand – obwohl viele mit dem Gedanken spielten. Der Zwangsauftritt der Polit-Zwillinge war so längst zu einem ungeliebten Ritual verkommen, von dem weder Rot noch Schwarz profitierten. Christian Kern und Reinhold Mitterlehner steht das Wasser derart bis zum Hals, dass sie die mögliche schlechte Nachrede riskieren, sich künftig vor den lästigen Medien zu verstecken. Jene Politik-affinen Bürger und Journalisten, die an substanziellen Politiker-Aussagen interessiert sind, werden den wöchentlichen rituellen Auftritt nicht vermissen. Sie werden aber noch genauer hinschauen, wann oder wie oft Kern und Mitterlehner ihr Versprechen wahrmachen, nur noch gemeinsam aufzutreten, wenn sie auch etwas gemeinsam zu sagen haben.

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