Ist das Volk gescheiter als die Politik?

Österreicher sind stolz: auf ihre Werte, auf ihr schönes Land. Definitiv nicht stolz sind sie auf ihre Politiker.
Martina Salomon

Martina Salomon

Für den schleichenden Niedergang macht man die Politik verantwortlich

von Dr. Martina Salomon

über Nationalstolz

Aber ist das Volk wirklich vernünftiger als seine Vertretung? So wird die Heeresschau am Nationalfeiertag von den Bürgern alljährlich gestürmt, man reißt sich darum, einen Blick in das Modell eines Kampfjets zu werfen. Doch gewählt werden dann jene Politiker, die "Sozialfighter statt Eurofighter" versprechen.

Es hat sich auch bereits herumgesprochen, dass ein zu hoher Anteil des Budgets in Pensionen fließt. Aber Politiker, die an dieser Schraube ernsthaft drehen, müssen mit Demos gegen die "soziale Kälte" rechnen. Weil die Senioren die Mehrheit der Wähler stellen und sogar die (GPA-)Jugend für ihren Abwehrkampf gegen Reformen mobilisieren können, knickt die Politik vor dieser Übermacht gerne ein bzw. wagt nur verstohlene Änderungen.

Aus Angst vor Volkes Stimme hat Österreich zum Beispiel auch die Übergangsfristen für legales Arbeiten von Bürgern aus den jüngsten EU-Mitgliedsländern ewig lang ausgedehnt, unterstützt von Populisten in Medien und Sozialpartnerschaft. Das Ergebnis lasten die Bürger wiederum der Politik an: Die Hochqualifizierten sind an Österreich vorbeigezogen, weil sie hier (bis heute) Schikanen vorfinden. Österreich lockt dafür Ärmere mit tollen Sozialleistungen an, nicht jedoch mit einem innovativen, aufstiegsorientierten Klima. Wien weist eine extrem große Zahl an Beziehern von Mindestsicherung auf. Ein politischer Erfolg – oder ein Alarmsignal?

Dem Einzelnen geht es in Österreich sehr gut, das zeigen Umfragen und Statistiken. Noch. Für den schleichenden Niedergang macht man die Politik verantwortlich und nicht den Bürger, der laufend Sozialleistungen fordert, Leistungsanreize ablehnt und Populisten wählt. Wer nicht eine riesengroße Motivation oder als Berufspolitiker keine andere Wahl mehr hat, lässt die Finger von der Politik, wenn er sich nicht selbst beschädigen will. Das wiederum hat Mittelmaß in der Politik erzeugt. Ist daran die Volksvertretung schuld – oder gar das Volk selbst?

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