Gründe, Österreich doch zu lieben

Etwas Nationalstolz dürfen wir uns schon leisten: Österreich ist produktiv, hilfsbereit und kulturell top.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wer sein Land liebt, will es auch verbessern und damit rechtzeitig reformieren

von Dr. Martina Salomon

über echten Nationalstolz

Das deutsche Magazin Stern zählt in seiner jüngsten Ausgabe "100 Gründe, Deutschland zu lieben" auf. Ließe sich das auch auf Österreich umlegen? Ja, eigentlich schon, nicht nur weil die Deutschen unter Punkt 87 auch unsere "Sissi", Romy Schneider (aber wenigstens nicht Karlheinz Böhm), für sich beanspruchen. Gerade die letzten Tage haben gezeigt, dass wir uns nicht verstecken müssen. Während der Dauerregen in Bosnien und Serbien die Welt untergehen ließ, blieb Österreich dank Investitionen in den Hochwasserschutz weitgehend unbeschädigt – und unterstützt nun jene, die es hart getroffen hat. Man muss Österreich für seine Umsichtigkeit und Hilfsbereitschaft mögen. Und für die Wiener Philharmoniker, die jeden Juni dem Schlechtwetter trotzen und tapfer vor der Schönbrunner Schlosskulisse musizieren. In keinem anderen Land der Welt wird Hochkultur so wichtig genommen und auch so hoch subventioniert.

Wiener Schmäh und alter Habsburger-Glanz

Der Wiener Schmäh wurde beinahe als Weltkulturerbe eingestuft, und wir interessieren uns unverdrossen für Fußball, auch wenn Österreichs Farben bei wichtigen Entscheidungen fehlen. Es hat sich eine junge, coole Musikszene entwickeln können, obwohl uns der reichweitenstärkste Sender die Ohren mit den immergleichen internationalen Mainstream-Hits die Ohren verstopft.

Unsere Arbeitslosenrate ist noch immer bemerkenswert niedrig, wenn auch mit teuren Arbeitsmarktschulungen und Pensionierungen erkauft. Dass wir uns den Frühpensionsluxus noch immer leisten können, liegt an der sympathisch hohen Produktivität der Österreicher (und leider einer exorbitant hohen Abgabenlast).

Österreich hat Super-Firmen, die weltweit reüssieren, etwa Doppelmayr, AT&S und sogar so coole wie Red Bull. Dass die Österreicher Schrullis wie Heini Staudinger dennoch sympathischer finden, ist wohl einem latenten Minderwertigkeitskomplex geschuldet. Man kann auch das positiv formulieren: Nein, wir sind nicht (mehr) größenwahnsinnig! Wir haben im Gegensatz zu Deutschland die Adelstitel abgeschafft, leben aber trotzdem prächtig vom alten Glanz des Habsburgerreiches. Als Ersatzfürsten fungieren die Landeshauptleute. Wer regiert, ist in Wahrheit egal, wichtiger ist die Nebenregierung, die Sozialpartnerschaft, die historisch für Ausgleich zwischen den politischen Lagern sorgte (jetzt aber selbst renovierungsbedürftig ist.) Revolutionen finden anderswo statt. Die Regierungskritiker heißen Rezar oder Zangerl – Sie müssen sich die Namen aber nicht merken. Die wahre moralische Instanz sind die Kabarettisten.

Es gibt noch viel mehr Gründe, Österreich zu lieben: saubere Seen, soziales Gesundheitswesen, hohe Berge (nein, nicht die Schuldenberge), unsere Mülltrennungsleidenschaft, unsere Flexibilität. Echten Nationalstolz? Nein, haben wir nicht. Ein Fehler: Denn wer sein Land liebt, will es auch verbessern und damit rechtzeitig reformieren. Damit es noch länger liebenswert bleibt.

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