Gerechtigkeit ist mehr als eine Kampagne

Jeder ist für die rasche Senkung der Lohnsteuer. Aber das reicht nicht für eine gerechtere Gesellschaft.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Gerechtigkeit ist mehr als eine Kampagne

von Dr. Helmut Brandstätter

über die Steuerdebatte

Lohnsteuer runter.“ Ja klar, wer würde das nicht unterschreiben, was der ÖGB da fordert. Komisch ist nur, dass sich eine so gut vernetzte und zugleich reiche Organisation wie der ÖGB mit 500.000 Unterschriften zufriedengeben will. Aber in Wirklichkeit ist diese Aktion ein Beweis dafür, dass auch die Sozialpartnerschaft als Realverfassung dieses Landes, unser Modell des Ausgleichs von Interessen, nicht mehr funktioniert. Dass viele Regierungen und dieses Parlament bisher nicht in der Lage waren, nach Jahrzehnten der politischen Diskussion die Arbeitskosten zu senken und ein gerechteres Steuersystem zu beschließen, haben wir ohnehin mit Resignation abgehakt.

Lösungen sind nicht in Sicht, die ÖGB-Aktion wird aber – neben einem kontinuierlichen und schlecht gespielten Sommertheater – einen Nebeneffekt haben: Wir werden noch intensiver über einen gerechten Ausgleich in der Gesellschaft diskutieren, mit viel Neid in der Debatte und einer geringen Hoffnung, dass doch ein paar Fakten geklärt werden.

Viel Ungerechtigkeit – wenige Lösungen

Ungerechtigkeit entsteht in Österreich nicht nur durch Geburt und – in geringer werdendem Ausmaß – durch Geschlecht. Ungerechtigkeit ist auch durch Strukturen festgelegt, die noch immer niemand antasten will. Während Bildungsdebatten regelmäßig von der Lehrergewerkschaft bestimmt und damit beendet werden, bringen wohlhabende Eltern ihre Kinder in Privatschulen oder teure Unis im Ausland – was Ungleichheit und Ungerechtigkeit erhöht. SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha will ans Geld der Millionäre, freut sich aber selbst über einen gesamten Pensionsanspruch, der weit mehr als eine Million ausmacht. Will er dafür künftig auch Millionärssteuer zahlen? Und wer sich im Gestrüpp des immer komplizierter werdenden Staates auskennt, wird vom Förderwahnsinn profitieren, andere gehen leer aus. Gerecht?

Erben mag auch nicht gerecht sein, aber auch die Deutschen diskutieren gerade, wie eine Erbschaftssteuer aussieht, die Betriebe nicht gefährdet.

Auch das Thema Steuerflucht ist durch die Abkommen mit der Schweiz und Liechtenstein nicht gelöst. Eben erscheint ein Buch des jungen französischen Ökonomen Gabriel Zucman, „Steueroasen“. Nach seinen Schätzungen sind weltweit sechs Billionen Euro auf der Flucht, überwiegend Geld aus den USA und Europa. 130 Milliarden an Steuern entgehen den Staaten jährlich. Da kann nur die EU-Kommission etwas erreichen. In Europa ist noch immer viel Geld versteckt. Und europäische Steuergesetze lassen es zu, dass US-Konzerne hier minimale Steuern zahlen, aber von Förderungen profitieren.

Das ändert aber nichts daran, dass unser „ungerechtes und leistungsfeindliches Steuersystem“ (Copyright Maria Fekter) endlich reformiert gehört. Entweder die Regierung schafft das bis zum Herbst, oder wir sollten uns eine neue suchen. Wenigstens darüber sollten sich SPÖ und ÖVP einig sein.

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