Eine fatale Neigung zum Selbstbetrug

Österreicher gefallen sich als Kapitalismuskritiker, übersehen aber die Mängel ihrer staatlichen Firmen.
Martina Salomon

Martina Salomon

Österreicher gefallen sich als Kapitalismuskritiker, übersehen aber die Mängel ihrer staatlichen Firmen.

von Dr. Martina Salomon

über Selbstbetrug

Die vorweihnachtliche Kauflust der Österreicher ist doch noch nicht zum Erliegen gekommen. Ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht? Letztlich eine gute. Obwohl man sich natürlich die philosophische Frage stellen kann, ob eine Überfluss- und Wegwerfgesellschaft noch weiteren unnützen Kram anhäufen soll. Ob die Grenze des Wachstums in Europa nicht längst erreicht ist. Ob die Kinder wirklich das neueste Handy brauchen. Doch wer Konsumzurückhaltung predigt, wird Wirtschaftsabschwung ernten.

Die Arbeitslosenzahl ist schon jetzt so hoch wie lange nicht. Die Banken, nach Jahren aberwitziger Risikobereitschaft nun gewürgt von neuen, strengen Regeln, wagen kaum noch, Kredite zu vergeben. Das wiederum hemmt Firmen-Investitionen. Dass sich gleichzeitig manche internationale Unternehmen aus Österreich zurückziehen, hat aber andere Gründe. Etwa hohe Lohnkosten und mangelnde Rechtssicherheit. Debatten über rückwirkend wirksame Besteuerungen sind Gift.

USA statt Russland

Und was Amerika-, Wirtschafts- und Technikfeindlichkeit betrifft, können wir uns langsam mit Ländern wie Venezuela vergleichen. Nirgendwo in Europa wird das Freihandelsabkommen mit den USA polemischer diskutiert. Natürlich soll und muss man Einzelheiten kritisch betrachten. Aber in Zeiten, in denen die Ost-Geschäfte mühsamer (Russland, Ungarn) bis unmöglich (Ukraine) geworden sind, werden wir uns stärker nach neuen Märkten umschauen müssen. Das können – auch – die USA sein.

Dass man von dort oft fassungslos auf Europa blickt, verwundert nicht. Wer kann schon die österreichische Sehnsucht nach Staatsprotektionismus verstehen – besonders jetzt? Abgesehen vom jüngsten Skandal um Gift-Emissionen eines Kärntner Zementwerks verursachen gerade die unter staatlichem Einfluss stehenden Bereiche Probleme, siehe Hypo Alpe Adria. Dass zum Beispiel "der kleine Mann" überhöhte Strompreise zahlt, liegt nicht an "profitgeilen" Konzernen, sondern an staatlichen Gesellschaften, die ihre Auslands-Fehlinvestitionen und hohen (Beamten-)Pensionen auf den Bürger abwälzen. Was würden wir außerdem über eine private Infrastrukturfirma sagen, die so wie die Gemeinde Wien die Wassergebühren nicht nur sprunghaft erhöht, sondern daraus sogar einen Millionen-Überschuss erwirtschaftet? Und wenn die Arbeiterkammer die Ungleichheit anprangert, so könnte sie angesichts eines (österreichweit) angehäuften Vermögens von knapp einer halben Milliarde Euro ja vorschlagen, untere steuerbefreite Einkommen von den AK-Abgaben zu entheben.

Leider bröseln die Fundamente in Österreich. Die Politik ist daher gut beraten, das Gerede über immer neue Belastungen einzustellen. In so einem Klima investiert kein vernünftiger Mensch. Das deutsche Popkultur-Magazin Spex titelt übrigens in seiner nächsten Ausgabe: "Alle happy? Ein Scheißjahr geht zu Ende." Frech, aber nicht unpassend. Es besteht minimale Hoffnung auf Besserung.

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