Djangos Reifezeugnis schreiben die Kinder

Josef Votzi

Josef Votzi

Auch immer mehr Bürgerliche drängen auf einen Kurswechsel in der Schulpolitik

von Josef Votzi

über die Gesamtschule

Die Schule wird sicher spannend. Ich werde richtig schreiben und rechnen lernen – das mache ich besonders gern." – "Ich freue mich auf die Schule, weil ich dort Schreibschrift lerne. " – "Am liebsten spiele ich jetzt mit meinem Bruder Schule. Er geht schon in die dritte Klasse und bringt mir Buchstaben und Rechnen bei." Es ist herzerfrischend, was Fünfjährige meinen Kolleginnen vom Leben-Ressort über ihre Erwartungen und Wünsche an die Schule erzählen.

Sie haben ihre Schulkarriere voll ungebrochener Hoffnung und sprudelnder Neugier noch vor sich. Wer Eltern und Schüler befragt, bekommt oft mehr Frust als Lust am Lernen zu hören: Fehlende Nachmittagsbetreuung, überfordernde Hausübungen, teure Nachhilfe...

Für einen gelernten Österreicher mutet es daher fast kindlich naiv an, was dieser Tage erwachsene Männer auf allen Medien-Kanälen postulierten: Alle Schulen sollen künftig flächendeckend offerieren, was die Mehrzahl der Österreicher nur vom Hörensagen über teure Privatschulen kennt: An einem Standort wird vom verpflichtenden Kindergartenjahr bis zum Ende der Pflichtschule unterrichtet. Schul-Kernzeit ist von 8.30 Uhr bis 15.30 Uhr; Betreuung wird von 7 bis 19 Uhr angeboten. Direktoren können sich ihre Lehrer selber aussuchen.

"Kognitive Mastschweine"?

Das Forderungspaket nach einer "Bildungsrevolution" kommt aus einer Ecke, die nicht unter Umsturz-Verdacht steht – vom Präsidenten und Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). Die IV ist längst nicht die einzige bürgerliche Gruppe, die für einen Neubau des Schulsystems ohne ideologische Scheuklappen mobil macht.

Die ÖVP, die unter Michael Spindelegger mehr wie der verlängerte Arm der Lehrergewerkschaft denn wie eine Volks-Partei agierte, hält sich zum spektakulären Paukenschlag der Industrie noch bedeckt. Mehr als, man werde "offen darüber reden", rang sich bisher kein ÖVP-Spitzenmann ab. Entscheidend wird sein, ob Reinhold Mitterlehner auf Kurs der ÖVP-Westachse einschwenkt, wo es keine ideologische Scheu vor Reformen im Klassenzimmer gibt. Oder ob er wie Spindelegger weiter den beharrenden Kräften nachgibt, die etwa gegen das IV-Modell so trommeln: Mit der gemeinsamen Ganztagsschule wolle die Industrie die Jugendlichen zu "unkritischen Produktionsfaktoren" machen und "kognitive Mastschweine" (AHS-Lehrergewerkschafter Ekkehard Quin) heranzüchten.

Dass der neue Parteichef Rücksicht auf die heiklen Personalvertretungswahlen Ende November nimmt und sich für eine gemeinsame Meinungsbildung noch Zeit nehmen will – geschenkt. Die überraschend hohen Erwartungen und großen Hoffnungen der Wähler in der jüngsten OGM-KURIER-Umfrage an den neuen ÖVP-Chef muten da und dort beinahe so unschuldig an wie die der Fünfjährigen an den ersten Schultag. Sie alle nicht allzu sehr zu enttäuschen, wird maßgeblich darüber bestimmen, ob der neue schwarze Django weiter so stolz und fest im Sattel sitzt.

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