Die Schmidts fehlen

Der deutsche Politiker, der gestern bestattet wurde, bewies auch in der Terror-Panik glaubwürdig Haltung.
Josef Votzi

Josef Votzi

Politiker wie Schmidt wären jetzt gefragt: Standfest und glaubwürdig - auch in Terror-Zeiten.

von Josef Votzi

über den Staatsakt für den deutschen Ex-Kanzler Helmut Schmidt

"Jetzt erklärt er Gott die Welt." Bei jedem anderen wäre diese Schlagzeile für eine Todesnachricht ins Auge gegangen. Im Fall Helmut Schmidts war sie ein Volltreffer: "Sie hätte auch ihm sehr gefallen", sagen Kenner. 1800 Staatsgäste aus aller Welt, am Rednerpult Ex-US-Außenminister Henry Kissinger und Kanzlerin Angela Merkel: Die Verabschiedung von Helmut Schmidt hat noch einmal in Erinnerung gerufen, welche Lücke dieser hinterlässt. Mit ihm verlor nicht nur Deutschland einen großen Politiker und Publizisten.

Seine Strahlkraft reicht weit darüber hinaus. Politiker, die nach Amtsverlust ihr Telefonbuch versilbern und sich als Lobbyisten für Interessen aller Art verdingen, sind inzwischen Legion. Schmidt blieb einer der wenigen, die auch danach das Staatsganze und die Weltläufe weiter glaubhaft im Auge hielten. Mit dem Zeit-Herausgeber ist auch ein großer Welterklärer von uns gegangen.

Der gestrige Staatsakt im Zeichen EU-weiten Terroralarms stand am Ende eines Lebens, in dem einst Terror eine zentrale Rolle spielte. Als die Mordbrigaden der linksradikalen RAF ihre Blutspur durch Deutschland zogen, hatte Schmidt "unerschütterlich Verlässlichkeit vorgelebt. Dass sich der Staat nicht hat erpressen lassen, hat ihn gegen den Terror gewappnet", resümierte gestern Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Schmidt hatte 1977 der Forderung der Entführer des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer nach Freilassung der RAF-Spitze nicht nachgegeben. Schleyer wurde umgebracht. Den damaligen Kanzler hatte die Entscheidung noch lange danach beschwert.

Deutschland ist der Bedrohung durch hausgemachten Terror derart aber Herr geworden: Entschlussfreudig in der Sache; willens, Haltung zu zeigen; fähig, diese auch glaubwürdig zu vermitteln. Politiker wie Helmut Schmidt wären dieser Tage gefragter denn je.

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