Die Parteien leben im Paralleluniversum

Österreich hat viele Probleme. Die Parteien sind nicht in der Lage, diese zu lösen. Das kann einem Angst machen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Österreich hat viele Probleme. Die Parteien sind nicht in der Lage, diese zu lösen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Paralleluniversen

Für Werner Faymann war der SPÖ-Parteitag ein Desaster, für jeden unbeteiligten Beobachter hingegen ein Blick in eine völlig fremde Welt. Der Parteichef und seine bemühten Unterstützer forderten Geschlossenheit, der Nachwuchs hingegen das Ende der Koalition, wenn die SPÖ sich nicht immer und in allen Punkten durchsetzt. Ob die SPÖ geschlossen ist oder nicht, ist 95 Prozent der Österreicher völlig egal, da sie keine Mitglieder sind. Und dass eine Partei, die gerade noch ein Viertel der Bürger vertritt, 100 Prozent der Regierungspolitik entscheiden soll, spricht nicht gerade für die demokratische Gesinnung der SPÖ-Jugend.

Was heißt das aber für die Umsetzung der vielen Reformen, die uns alle wirklich interessieren und die SPÖ und ÖVP seit Jahren versprechen? Wahrscheinlich nichts Gutes. Die beiden ehemaligen Großparteien sind nur mehr Zusammenschlüsse von einander widersprechenden Lobbys. Bevor man einer dieser Lobbys wehtut, regiert der Stillstand. Der neue ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat ja mehrmals betont, dass seine Partei mit der Kientelpolitik Schluss machen müsse, aber die Umsetzung dieses Vorhabens wird schwierig werden.

Beispiel Schule: Wenn so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Lehrer und KURIER-Autor Niki Glattauer und der Industriellenpräsident Georg Kapsch ähnliche Ideen zur Schulreform haben, muss etwas dran sein. Gemeinsamer, verschränkter Ganztagsunterricht, Förderung von Stärken, Bildungspflicht – das sind Stichworte, bei denen die Gewerkschafter sofort erbost mobilisieren. Also wird nichts passieren.

Für eine ordentliche Steuerreform werden Vermögenssteuern, in welcher Form sie auch kommen, nicht reichen. Der Staat muss bei Ausgaben sparen. Aber für jede Förderung und jede steuerliche Begünstigung wird sich eine Lobby in Bund oder Land finden, die in einer Partei Druck aufbauen wird, bei den Pensionen sowieso. Die Teenager, die in dieser Woche im KURIER mitgearbeitet haben, sind überzeugt davon, dass sie bei steigender Lebenserwartung frühestens mit siebzig Jahren eine Pension bekommen werden, die dann auch noch niedriger sein wird. Sie wissen das und verachten Politiker, die sie anschwindeln.

Draußen zieht das Leben an uns vorbei

Die vielen Lobbys, die die beiden Regierungsparteien dominieren, sind in Wirklichkeit alle auf einem Rückzugsgefecht. Ihre einzige Aufgabe ist es, für die jeweiligen Gruppen so viel wie möglich zu erhalten und so wenig wie möglich zu verändern. Sie leben ihr Innenleben, ebenso wie die Parteien. Gleichzeitig zieht draußen das Leben an uns vorbei. Immer mehr Menschen erzählen, dass sie sich nicht mehr um Politik kümmern, sondern um sich, ihre Familie und ihren Betrieb.

Das gilt nicht nur für Wohlhabende, sondern gerade auch für Kleinstunternehmen, die sich nirgendwo aufgehoben fühlen. Wenn in der SPÖ Geschlossenheit beschworen wird, fühlen sie sich ausgeschlossen. Solidarität wird gefordert, Entsolidarisierung findet statt.

Das Problem Werner Faymanns sind nicht die knapp 100 Delegierten, die ihn nicht mehr als Parteichef und Kanzler wollen, sondern die große Mehrheit der Österreicher, die ihm keine Kompetenz zutrauen, die dringenden Reformen zu schaffen.

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