Die Baustellen der Republik

Heuer haben wir einen Baustellensommer im doppelten Sinn. Die fünf tiefsten politischen "Baugruben".
Martina Salomon

Martina Salomon

Heuer haben wir einen Baustellensommer im doppelten Sinn.

von Dr. Martina Salomon

über Baustellen der Republik

Die beruhigende Nachricht: Diese Legislaturperiode dauert noch vier Jahre, da lässt sich einiges reformieren. Zum Beispiel:

Ein gut gepolstertes, ziemlich ungleiches Sozialsystem: Das Land zerfällt vor allem bei den Pensionen in Privilegierte und Nicht-Privilegierte, und die Unterschiede werden nur lähmend langsam abgebaut.

Das Auslaufen der Pragmatisierung in vielen Bereichen wie Post und Bahn (wo man nur lächerlich selten in die normale Alterspension geht) dauert noch Jahrzehnte und kostet eine Lawine. Und auch wenn die Armuts-Apologeten täglich neu ihr Klagelied anstimmen: Bei uns fällt kaum jemand durchs Sozialnetz. Der Rechnungshof hat kürzlich sogar das zu großzügige System der Mindestsicherung in den Bundesländern samt mangelnder Arbeitsanreize kritisiert.

Hohe Steuereinnahmen, wenig Geld

Ein behäbiger, gefräßiger Staat: Wer sich ein so gut ausgestattetes Sozialsystem leistet, dem bleibt für anderes wenig Geld. Ganz logisch ist das trotzdem nicht, denn die Steuereinnahmen sprudeln dank Höchstbesteuerung, Beschäftigtenrekord und kalter Progression.

Gar nicht schwach ist auch die Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge. Das heißt aber noch lange nicht, dass Ämter den Bürger als Kunden betrachten. Der durchschnittliche Magistratsbeamte sieht sich leider oft weniger als Partner der Wirtschaft, denn als Bürokratie-Polizist, wie Selbstständige glaubwürdig berichten.

Dazu die Bildungskatastrophe: Es ist leider kein Witz, dass der Staat nun ernsthaft überlegt, wie er Lehrlingen nach neunjähriger Schullaufbahn Lesen und Rechnen beibringen könnte. Mittlerweile fehlen selbst den Maturanten grundlegende Kenntnisse (nebst Umgangsformen).

Kein Wunder, dass die Wirtschaft immer weniger Lust verspürt, ihre Ausbildungspflicht wahrzunehmen. Das Image der Lehre ist vor allem in Wien in den Keller gefallen, was zu einem Mangel an intelligenten Fachkräften führt. Auch wenn Europa bewundernd auf Österreichs niedrige Jugendarbeitslosigkeit blickt: Erstens steigt diese gerade, und zweitens "verstauen" wir viele Junge in Schulungen, die auf dem Arbeitsmarkt herzlich wenig zählen.

Leistung, Eigenverantwortung? Fremdworte!

Fehlender Leistungswille: Das ist mittlerweile ein Grundübel in Österreich und eng verbunden mit der Bildungskatastrophe. Leistung, Eigenverantwortung? Wer das fordert, wird als kaltherzig und "neoliberal" gebrandmarkt.

Die Staatswirtschaft ist in Österreich mittlerweile wieder angesehener als die freie Marktwirtschaft, was für die Zukunft nichts Gutes bedeuten kann. "In meiner Partei sind Leistung und Aufstieg ja schon zu Hochverratungsvokabeln geworden", ärgert sich der Sozialdemokrat Hannes Androsch. Sehr viel hört man aber auch aus der ÖVP nicht dazu, nicht einmal von den Neos, die eigentlich als Wirtschaftsliberale angetreten waren und schon wieder Richtung LIF rutschen.

Schwache Politik: So lange die Politik uneinig und ängstlich-populistisch agiert, wird keine der oben genannten Baustellen saniert. Und das ist eigentlich die allerschlimmste "Baustelle"!

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