Die Angst ist ein ganz schlechter Politberater

Sozialdemokraten, die aus Furcht vor der FPÖ die Annäherung suchen, werden ihre blauen Wunder erleben.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Wendet sich die SPÖ zur FPÖ, würde unmittelbar eine Partei links von der SPÖ entstehen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Rot-Blau

Oft genug wurde von Medien geschrieben und von Politikern beklagt, dass SPÖ und ÖVP nun an ihrer allerletzten Chance basteln. Tatsächlich: Wenn die kommende Regierung nicht beachtliche Reformen umsetzt, dann wird es diese Konstellation nicht so schnell wieder geben. Das verführt so machen Taktiker dazu – die Strategen sind allzu rar geworden – schon über Alternativen nachzudenken. In der SPÖ reift die Erkenntnis, dass man mit den Grünen nicht so schnell über 50 Prozent kommen wird. Dazu kommt die nahende Europawahl, wo führende Sozialdemokraten fürchten, hinter die FPÖ zu fallen.

Was tun? Diese Frage hat sich schon Lenin in seinem berühmten Buch gestellt , wo er die Organisation einer proletarischen Partei zwischen Arbeitern und Revolutionären entwickelte. Bei der SPÖ schreibt kaum noch jemand Bücher, da werden Ideen durch einen Luftballon in der Zeitung ventiliert. Und interessanterweise waren es Gewerkschafter, die das Tabu aufbrechen und ihre Partei hin zur FPÖ öffnen wollten. Josef Muchitsch, Gewerkschaft Bau-Holz: „Sozialpolitisch steht uns die FPÖ näher als die ÖVP.“ Dazu kamen ein paar selbst ernannte Intellektuelle, die sich an jedem Kaffeehaustisch Sorgen um die Arbeiterklasse machen und deren Interesse bei Rot-Blau bestens aufgehoben sähen. Weil die ÖVP „neoliberal“ sei. Dabei hat sich die im Wahlkampf nicht einmal getraut, Privatisierungen zu verlangen.

Sozialpolitik ohne EU und Euro

Nun hat der SPÖ-Vorsitzende Faymann das Thema im Parteivorstand schnell weggeschoben, aber sobald sich die Koalitionsverhandlungen spießen, werden diejenigen in der SPÖ, die ihr Heil bei den Freiheitlichen sehen, wieder auftauchen. Deswegen wird die SPÖ die Debatte offensiv führen müssen, die EU-Wahl wäre ein guter Anlass.

Hier wird die Regierung nicht reüssieren, wenn sie furchtsam und verhalten Kritik an Brüssel vorträgt, um ein paar Euro-Skeptiker einzufangen, sondern wenn sie klar darauf verweist, wie Österreich vom gemeinsamen Markt profitiert. Und zwar nicht nur Finanziers und Fabrikanten, sondern Hunderttausende Österreicher, deren Unternehmen – also Arbeitsplätze – fest in der EU verankert sind. Wie macht denn der Herr Muchitsch verteilende Sozialpolitik mit der FPÖ, wenn nicht mehr investiert wird, weil alle auf die von der FPÖ geforderte Abstimmung über einen Euro-Austritt warten?

Die Euro-Skepsis ist gewachsen. Aber wer gesehen hat, wie sich die USA in eine Finanzierungskrise manövrierten, wird die EU wieder etwas positiver beurteilen.

Und noch ein Argument gibt es, warum sich die SPÖ nicht zur FPÖ öffnen wird. Schließlich profitiert sie davon, dass neue kleine Gruppierungen zuletzt rechts der Mitte entstanden sind. Wendet sich die SPÖ zur FPÖ, würde unmittelbar eine Partei links von der SPÖ entstehen. Davor haben alle in der Sozialdemokratie Angst, und in diesem Fall ist die Angst sogar gerechtfertigt.

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