Der Westen muss auch mit einem Lügner reden

Zivilisierte Staaten reden miteinander. Sie müssen das auch mit Aggressor Putin tun. Es gibt keine Alternative.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Der Westen muss auch mit einem Lügner reden

von Dr. Helmut Brandstätter

über Putin

Eine Demokratie hält einiges aus, auch einen russischen Staatspräsidenten, der im deutschen Fernsehen unwidersprochen Geschichtslügen produzieren darf. Dass Wladimir Putin am Sonntagabend in der ARD keine (!) kritische Frage gestellt wurde, wirft ein trauriges Bild auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Aber der von Putin angestellte Vergleich Krim – Kosovo bleibt absurd, so oft er auch wiederholt wird: Im Kosovo wurde jahrelang verhandelt, es starben Menschen und Hunderttausende waren von Vertreibung und Tod bedroht, bevor die NATO eingriff. Die Krim wurde annektiert, mit militärischer Gewalt. Punkt.

Putin verschweigt natürlich auch, dass die westlichen Sanktionen seinem Land wehtun. Er versuchte, den Spieß umzudrehen: Auch dem Westen würden die Sanktionen schaden. Das mag sein, aber das präpotente Auftreten Putins hat gezeigt, dass er das Völkerrecht jederzeit wieder brechen würde, wenn man ihm nicht deutlich entgegentritt. Folglich ist richtig, dass der Westen nun versucht, die Sanktionen auf die russischen Rebellen in der Ukraine und deren Waffenlieferanten auszuweiten. Dass jeder, der will, Waffen kaufen kann, wie Putin meinte, ist ja auch eine Lüge. Wer hat schon einmal versucht, einen modernen Kampfpanzer zu kaufen?

Die Ukraine hat kein Recht auf einen NATO-Beitritt, aber jedes Recht auf Selbstbestimmung. Das gilt auch für alle Balkan-Staaten, wo Putin um stärkeren Einfluss bemüht ist. So lange Putin das nicht akzeptiert, muss er ausgegrenzt werden. Gleichzeitig muss verhandelt werden. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier: "Diplomatie heißt, die Türklinke auch zum 101. Mal anzufassen." Genau so ist es.

Kaum tauchen die Worte Putin und Lügner in einem Kommentar auf, bebt das Internet. Das ist gut so.

Die Diskussion, die im Anschluss an meinen Kommentar entstand, ist für sich ein gutes Stück Aufklärung. Da gibt es natürlich Leserinnen und Leser, die weitere Verfehlungen Putins aufzeigen und seinen Bruch des Völkerrechts durch die Krim-Annexion und die militärischen Aktivitäten im Osten der Ukraine dokumentieren. Aber es gibt tatsächlich auch solche, die ein kritisches Wort über Putins Russland nicht ertragen können. Und sofort, in heftiger Erregung, den wahren Feind suchen: die Amerikaner, die NATO, die Bilderberger, Raiffeisen.

Nein, Raiffeisen in diesem Fall nicht, denn hier funktioniert eine gerne benutzte Verschwörungstheorie nicht. Raiffeisen (zu 50,6%) Miteigentümer des KURIER, profitiert ja vom Handel in und mit Russland. Sanktionen des Westens sind da nicht förderlich. Darf der KURIER da überhaupt kritisch berichten? Ja, er darf.

Weil er ein starkes Redakteursstatut hat. Eines, das ich jedem russischen Medium wünschen würde. Und ich würde jedem Blogger und Poster in Russland wünschen, dass er so liebevoll behandelt wird, wie ein kritischer KURIER-Poster.

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