Das Volk ist klüger, als Politiker wollen

Vor der Volksbefragung hat uns die Regierung nicht informiert. Das muss das nächste Mal anders werden.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Das Volk ist klüger, als Politiker wollen

von Dr. Helmut Brandstätter

über Volksbefragungen

Michael Häupl ist ein mutiger Mann. Oder er gibt sich zumindest so. Denn schon bevor der Wiener Bürgermeister und Erfinder des modernen Berufsheeres weiß, ob er dafür eine Mehrheit in der Bevölkerung bekommt, will er weitere Volksbefragungen. Aber Häupls Freude am Volkswillen kommt nicht aus der Überzeugung, dass das Volk immer recht hat, sondern eher aus der Verzweiflung, dass eine zögerliche Regierung auf Dauer unrecht hat.

In der Tat stimmt Häupls Einschätzung, dass sich SPÖ und ÖVP auf lange Sicht nicht auf eine vernünftige Schulreform einigen werden. Also soll – wie beim Bundesheer – wieder das Volk als Schiedsrichter in Aktion treten. Die Idee ist nicht schlecht. Diese Regierung, und erst recht eine mögliche Dreierkoalition nach den nächsten Wahlen, werden immer wieder wesentliche Reformprojekte auf die lange Bank schieben, weil halt einflussreiche Gruppierungen so stark sind. So kann sich dann eine Partei hinter der Mehrheit des Volkes verstecken.

Konkret: In der ÖVP werden die Gewerkschafter immer eine Gesamtschule torpedieren. Kein ÖVP-Chef will sich mit den Lehrern anlegen. Aber nach einer Volksbefragung kann er entschuldigend die Arme heben: Wer wird schon gegen die Mehrheit argumentieren?

Diese Methode, das Volk jeden Streit schlichten zu lassen, wäre natürlich eine Kapitulation der Politik. Wir wählen ja Parlamente und Regierungen, damit diese entscheiden. Vor allem aber müsste es vor einem verstärkten Einsatz von Referenden einen Konsens darüber geben, wie künftig die Information der Bevölkerung organisiert wird.

Volksverblödung statt Information

In den letzten Wochen wurde ja jeder noch so primitive Wahlkampf der letzten Jahrzehnte nochmals unterboten. Der Sozialminister rief junge Leute auf, ihre Großeltern vom Berufsheer zu überzeugen, oder davon, zu Hause zu bleiben. Ein beachtliches Stück Staatsbürgerkunde. Die ÖVP war für ein viel, viel besseres Bundesheer, sagte uns aber nicht, wie das organisiert werden soll. Weiß sie es schon? Oder erst am Montag? ÖSV-Präsident Schröcksnadel, der jahrelang davon profitiert hat, dass ihm Soldaten die Skipisten hergerichtet haben, polemisierte gegen seine früheren Helfer und mutierte zum Freund des Berufsheeres. Was hat er davon? Ein Verfassungsrechtler versuchte sich als Boulevard-Soziologe und meinte, irgendwann werde sich die Frage stellen, ob nicht auch einmal Frauen einrücken müssten. Für wen war der Liebesdienst?

Den Verteidigungsminister hat sogar die trockene Austria Presse Agentur als „Militär-Koryphäe“ verspottet. Dass er in elf Monaten ein Berufsheer aufbaut, glauben ihm nicht einmal die Zeitungen, die er mit Steuergeld verwöhnt hat. Die 17-Jährigen, die er damit ködern will, sind auch nicht so blöd, darauf reinzufallen.

Wer als Nächster mehr Referenden vorschlägt, muss dazusagen, wie künftig die Information besser wird.

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