Das Verhör wird zur Lachnummer

Beschuldigte sollen Verteidiger vor jeder Antwort um Rat fragen dürfen – diese Reform geht zu weit.
Ricardo Peyerl

Ricardo Peyerl

Das Verhör wird zur Lachnummer

von Ricardo Peyerl

über die Justizreform

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ist zweifellos ein Mann der Reformen: Er will den Opferschutz ausbauen und die Verteidigungsrechte der Beschuldigten stärken; er will jugendlichen Straftätern eine zweite Chance geben; er will den Überbelag in den Gefängnissen stoppen; er will Kleinkriminellen mit Augenmaß begegnen und dicke Fische mit eng geflochtenen Netzen einfangen. Da kann man leicht übers Ziel hinaus schießen. So geschehen, als die mit Gewerbsmäßigkeit begründete häufige Verhängung der U-Haft für Ladendiebe mit Anfang dieses Jahres eingebremst wurde. Leider hat man übersehen, dass davon auch die Drogendealer profitieren und der Polizei nun die lange Nase zeigen.

Auch mutmaßliche Wirtschaftsverbrecher könnten sich bald ins Fäustchen lachen. Brandstetter plant, Beschuldigten bei der Vernehmung vor Polizei und Gericht zu erlauben, vor jeder einzelnen Frage ihren Verteidiger um Rat bitten zu dürfen. Der im Krimi oft gehörte Satz: "Nicht ohne meinen Anwalt" bekäme eine ganz neue Bedeutung. Selbst die Allerweltsfragen nach Name, Alter, Beruf könnten schon zu Einwänden führen.

Staatsanwälte und Richter protestieren ungewohnt heftig: Das würde Einvernahmen endlos in die Länge ziehen, die Anwälte zu Souffleuren und das Verhör zum wertlosen Gedankenaustausch ohne Beweiswert machen, so lautet die Kritik. Man stelle sich – nur ein Beispiel – vor: Karl-Heinz Grasser, der ohnehin schon keinen Schritt Richtung Justiz ohne seinen Anwalt Manfred Ainedter macht, würde bei Einvernahmen nur noch die Einschätzung seines Verteidigers wiederkäuen. Man könnte das Wort Geständnis im Duden getrost durch das Wort Unschuldsvermutung ersetzen.

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