Das politische System ist – fast – am Ende

Klientelpolitik lähmt die Regierung. Der neue ÖVP-Chef Mitterlehner muss damit endlich aufräumen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Das Duo Faymann-Mitterlehner hat nur wenig Zeit, aus der Krise zu finden.

von Dr. Helmut Brandstätter

über die Regierung

Zwei ÖVPler stehen zusammen. Kommt ein dritter dazu. "Worüber redet ihr?", fragt er. "Wir intrigieren gegen deinen Nachfolger."

Dieser Witz beschreibt das, was von der ÖVP übrig geblieben ist. Lachen kann darüber niemand mehr, Reinhold Mitterlehner schon gar nicht. Er hat sich um diese Position nicht gerissen, die Auswahl war aber nicht groß . Eine Partei, die wesentlich zum Wiederaufbau der Republik nach dem Krieg beigetragen hat, sich einmal als "staatstragend" definierte, stolpert nur noch über sich selbst. Landeshauptleute, die schlechte Umfragen erhalten, schimpfen reflexartig auf die Bundespolitik, schwarze Gewerkschafter geben Nachhilfe in Populismus, Polit-Zwerge suchen die tiefstehende Sonne. Selbstdarstellung ersetzt das Selbstbewusstsein.

Es wird über Leistung geredet, und gleichzeitig wächst der Steuerdruck auf diejenigen, die Leistung bringen. Eine wirkliche Steuerreform, bei der Förderungen und Ausnahmen reduziert werden, wagt niemand. Denn irgendjemand findet sich immer in der ÖVP, der Gruppeninteressen zu verteidigen weiß.

So war es auch kein Zufall, dass unmittelbar nach dem überraschenden Rücktritt von Michael Spindelegger sogenannte Granden einen umfassenden Diskussionsprozess vor der Kür einer neuen Führung wollten. Ihnen ging es eher nicht um notwendige Reformen, sondern vielmehr darum, dem neuen Anführer gleich die Führungskraft zu nehmen. Nur wer gleich zu Beginn möglichst viele Wahlkapitulationen unterschreibt, ist ein guter ÖVP-Chef – aus Sicht der bisher Mächtigen stimmt das auch, aus Sicht der ÖVP und des Staatsganzen natürlich nicht. Kein Wunder, dass Spindelegger im Wahlkampf so oft von Entfesselung der Wirtschaft gesprochen hat, er muss sich schon lange wie ein Gefesselter gefühlt haben – auf dem Schleudersitz des ÖVP-Chefs. Mitterlehner muss gewarnt sein.

Mitterlehner entfesselt ?

Die Stärken des 58-jährigen Oberösterreichers sind klar: Er hat die Übersicht des Profis und das Detailwissen des Sozialpartners. Seine Schwäche: Er war lange Zeit Teil des Systems, das sich gerade auflöst. Also gab es auch Stimmen in der ÖVP, die die einzige Zukunftshoffnung der Partei, Sebastian Kurz, an die Spitze der Partei stellen wollten. Er ist begabt, aber die ÖVP wird ihn noch brauchen.Mitterlehner muss endlich das tun, was Spindelegger intern öfters angekündigt hat: Die Sozialdemokraten zu Reformen zwingen und dabei selbst zu Veränderungen bereit sein. Die Politik der SPÖ ist ja auch nur mehr das Ergebnis unseres Klientelsystems. Kaum gibt es eine Idee, ruft einer Nein!

Beispiele kennen wir geplagten Österreicher genug: Trotz des höchsten Steueraufkommens, das es je gab, und trotz der kalten Progression schafft die Regierung keine Steuerreform. Die Schulen werden von Bürokratie und Parteipolitik erdrückt, das Bundesheer macht aus der Luftwaffe eine Lachnummer, beschäftigt aber Tausende Beamte, die dort nichts zu tun haben, woanders im Staat aber gebraucht würden. Und die Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern geht auf die fast hundert Jahre alte Verfassung zurück. Veränderungen werden totverhandelt.

Die neuerliche Krise der ÖVP überdeckte die Schwäche der SPÖ nur kurz, legt aber die Krise unseres Staates offen wie nie zuvor. Das Duo Faymann -Mitterlehner hat nur wenig Zeit, aus der Krise zu finden.

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