Bitte endlich die Verfassung einhalten

Politik wird immer mehr als Belästigung empfunden. Das liegt auch an der schrecklichen "Realverfassung".
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Politik wird immer mehr als Belästigung empfunden. Das liegt auch an der schrecklichen " Realverfassung".

von Dr. Helmut Brandstätter

über den Bundesstaat

An dieser Stelle wurde kürzlich der Appell an die Regierenden in Bund und Ländern formuliert, doch "endlich den Kindergarten zu schließen." Gemeint waren die sinnlosen Streitereien zwischen SPÖ und ÖVP um eine bessere Verteilung der Asylwerber im Land. Die Reaktionen der Angesprochenen waren vielfältig. Die einen gaben zähneknirschend zu, dass die Politik wirklich schwach dasteht, andere wiederum sahen sich in ihrer staatsmännischen Bedeutung herabgewürdigt. Leserinnen und Leser hingegen stimmten in großer Zahl begeistert zu, nur ein offensichtlich pädagogisch Erfahrener meinte, dass Kinder spielend und streitend lernen. Das sei von Politikern nicht mehr zu erwarten. Tief ist die Kluft zwischen den steuerzahlenden Bürgern und den Spitzen des Staates.

Will die Politik nicht lernen oder kann sie nicht? Die Landeshauptleute Niessl und Pröll haben jetzt die Kommission für eine Bildungsreform verlassen. Das führte zu Aufregung im Land. Warum eigentlich? Bildung ist noch immer Bundessache, Gesetze brauchen im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit. Also sollte die Regierung doch eher mit der Opposition verhandeln, anstatt sich mit Beschlüssen der sogenannten "Landeshauptleutekonferenz" zu beschäftigen. Diese ist nämlich ein verfassungsrechtliches Nullum, es gibt sie gar nicht. Jeder, der will, darf sich in unserem Land treffen und auch beschließen , was er will. Aber die Bundesregierung soll sich endlich an die geschriebene Verfassung halten, und nicht an die sogenannte Realverfassung, denn diese steht immer öfter Lösungen im Weg.

Der Nationalrat als Länderkammer

Österreich ist ein Bundesstaat, die Verfassung regelt, wo der Bund und wo die Länder für Gesetzgebung und Vollziehung zuständig sind. Das ist nicht immer sinnvoll und führt etwa zu neun verschiedenen Bauordnungen. Umgekehrt wird die Subsidiarität oft nicht gelebt. Sollen doch die Länder entscheiden, wo Flüchtlinge untergebracht oder Polizisten benötigt werden. Klar muss sein, dass Bundesgesetze vom Nationalrat im Interesse des Gesamtstaates zu beschließen sind. Aber leider verstehen sich viele Abgeordnete zum Nationalrat als Delegierte ihrer Landeshauptleute, weil sie von diesen auf die Wahlliste gesetzt wurden. Auch Debatten in SPÖ und ÖVP , die unter dem Gesichtspunkt geführt werden, was denn die "mächtigen" Landesfürsten wollen, schaden der Lösungskompetenz der Bundesregierung. Davon profitiert nur Ibiza-Langzeiturlauber Strache.

Weil es ja in der Politik immer um Personen geht, taucht jetzt ständig die Frage nach dem nächsten Bundespräsidenten auf. Erwin Prölls Verweis auf seine Lebensplanung wird nicht ernst genommen. In der ÖVP gehen alle davon aus, dass er will. Solange es keine eindeutige Absage gibt, wird nicht nur über Pröll spekuliert, sondern auch darüber, was er mit Aktionen wie dem – letztlich ergebnislosen – Boykott der Bildungskommission bezweckt. Schlecht für ihn – und für die Sache.

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